Tod in Blau
können. Nach
mehreren vergeblichen Besuchen bei Wegners Nachbarn, die nichts erbrachten
außer neugierigen Gegenfragen, war er auf die Witwe Frieda Wollandt
gestoßen, die auf demselben Treppenabsatz wohnte. Als sie das Wort
Polizei hörte, ging ein Leuchten über ihr Gesicht, und sie bat
ihn geradezu herzlich in die Wohnung.
»Darauf habe ich
gewartet, Herr Kommissar!« Sie tat seinen Hinweis, dieser Titel
stehe ihm nicht zu, mit einer flüchtigen Handbewegung ab und bot ihm
Tee und Gebäck an, was Walther angesichts des Hundewetters unmöglich
ablehnen konnte.
Als er im Wohnzimmer saß,
wo alte Möbel und kostbare Spitzendeckchen von einer wohlhabenden
Herkunft zeugten und an den Wänden blau-weiße Delfter Kacheln
mit Meeresmotiven, nautische Instrumente aus Messing und gerahmte
Familienfotografien hingen, griff er ihre Bemerkung auf. »Warum
haben Sie auf mich gewartet?«
Frau Wollandt, die ein
dezentes dunkles Kleid mit weißem Kragen trug und an eine ehrbare Bürgersfrau
auf einem alten Gemälde erinnerte, wollte gerade in der Küche
verschwinden. »Wenn ich Sie recht verstehe, sind Sie doch wegen dem
Maler hier, oder?« Sie sagte »verstehe«, sprach die
Buchstaben säuberlich getrennt.
»Ja, das bin ich.«
»Ich komme sofort, ich
hole nur eben den Tee aus der Küche.« Kurz darauf kam Frau
Wollandt mit einem Tablett zurück, auf dem ein Teeservice mit
dampfender Kanne und ein Teller Schwarz-Weiß-Gebäck standen.
Sie schenkte Walther ein und nahm ihm gegenüber am Esstisch Platz.
»Ich glaube, ich muss
das ein wenig erklären, Herr Kommissar. Mein verstorbener Mann war
Berliner, ich selbst aber stamme aus Hamburg. Mein Vater war Kapitän
Christian Jensen, aus alter Seefahrerfamilie, worauf ich immer sehr stolz
gewesen bin. Wir hatten in Blankenese ein reizendes Häuschen mit
Blick auf die Elbe und einem hübschen Rosengarten.«
»Ich hatte mich schon
gefragt, woher Sie kommen. Bin mal auf Urlaub in Hamburg gewesen, das ist
vielleicht eine Stadt. Und dieser Hafen mit den riesigen Schiffen!«,
schwärmte Walther, worauf ein Strahlen über das Gesicht seiner
Gastgeberin ging.
»Es ist mir auch sehr
schwergefallen, von dort wegzugehen, aber die Liebe …« Sie
ließ den Satz bedeutungsvoll offen. »Jedenfalls will ich damit
nur sagen, dass mir eine gewisse Zurückhaltung zu eigen ist, das
liegt wohl an der hanseatischen Art. Wir lernten zu Hause schon früh,
uns nicht in fremde Angelegenheiten zu mischen und lieber für uns zu
bleiben. Daher wäre ich nach dieser Sache auch nie zur Polizei
gegangen, es war ja im Grunde nichts Schlimmes passiert.«
»Welche Sache, bitte?«
Walther nahm ein Plätzchen, lehnte sich zurück und machte sich
auf einen längeren Aufenthalt gefasst. Doch Frau Wollandt brachte die
Sache überraschend schnell auf den Punkt.
»Kurz bevor Herr Wegner
starb, hatte das Ehepaar Streit. Ich war gerade dabei, den Treppenabsatz
zu putzen, sonst hätte ich es vermutlich gar nicht gehört. Aber
sie waren so laut, dass ich beinahe jedes Wort verstehen konnte. Es ging
anscheinend um ein Bild. Frau Wegner schrie: ›Das kannst du nicht
machen, wir brauchen jede Mark!‹ Er antwortete, es sei kein Auftrag
gewesen, also könne er auch kein Geld dafür nehmen. So habe ich
es jedenfalls verstanden. Es ging hin und her, sie wollte, dass jemand
Geld für dieses besagte Bild bezahlte, er selbst wollte nichts dafür
verlangen.«
Walther wischte sich diskret
die Kekskrümel vom Mund und hob warnend die Hand. »Langsam,
langsam, ich komme nicht mit. Konnten Sie heraushören, wer für
dieses Bild bezahlen sollte?«
Frau Wollandt wiegte den
Kopf. »Ich glaube, es war von einer Tänzerin die Rede. Ganz
sicher bin ich mir aber nicht.« Sie schwieg errötend.
Er beugte sich vor und
fragte: »Warum ist es Ihnen unangenehm, darüber zu sprechen?«
Ihm kam allmählich der Verdacht, dass Frau Wollandt ein wenig
gekitzelt und umschmeichelt werden wollte. Na schön, das konnte sie
haben.
Sie blickte auf ihre Hände
und nickte. »Nun, in meiner Kinderstube kamen solche Reden nicht
vor, das sage ich gleich dazu. Frau Wegner schrie: ›Aha, wenn eine
nackt rumhüpft und ein bisschen auf Kunst macht, bevor sie mit dir
ins Bett steigt, bekommt sie was geschenkt!‹« Frau Wollandt räusperte
sich verlegen.
»Würden Sie das
auch unter Eid aussagen?«, fragte
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