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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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spät, muss am trüben Wetter liegen. Ich wollte gerade
     nach Hause gehen.«
    Jetzt gab es kein Zurück
     mehr. »Ich wollte fragen, ob Sie heute Abend schon etwas vorhaben.«
    Sie schien erst verwundert,
     dann nachdenklich, schließlich lächelte sie. »Nichts
     Besonderes außer die Füße hochlegen und etwas Warmes
     trinken.«
    »Könnten Sie sich
     mit dem Gedanken anfreunden, den Abend mit mir zu verbringen?« Wie
     gestelzt, dachte er bei sich. Um sich nicht rettungslos zu blamieren,
     holte Leo den Umschlag aus der Manteltasche und reichte ihn ihr.
    »Was ist das?«
    »Schauen Sie rein.«
    Als sie die Zeichnung sah,
     leuchtete ihr Gesicht auf. »Die ist aber hübsch.«
    »Einen Rahmen konnte
     ich auf die Schnelle nicht finden. Er wird nachgeliefert.«
    »Sie meinen, es ist für
     mich?«
    »Ja.«
    Leo spürte, dass sie
     ihre Entscheidung getroffen hatte, und dankte im Geiste dem Trödler.
    Sie schob sich die Haare aus
     der Stirn, holte einen Schlüsselbund aus der Manteltasche, schaltete
     das Licht im Laden aus und schloss die Tür von außen ab.
     »Ich muss aber zuerst nach Hause und mich umziehen. Wohin wollen wir
     denn gehen?«
    Diese Frage hatte er befürchtet.
     »In ein nettes Restaurant? Oder lieber in eine Bar? Ins Filmtheater?«
    Sie legte ihm die Hand auf
     den Arm. »Ich hätte eine Idee, aber ich weiß nicht, ob
     Ihnen so etwas gefällt. Was halten Sie vom Romanischen Café?«
    *
    Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
     gegenüber ragte wie ein dunkler Finger in den Himmel. Clara und Leo
     standen unter der Markise, die an schönen Tagen die weiträumige
     Terrasse des Romanischen Cafés überspannte. Die Drehtür
     schien gar nicht stillzustehen, die Gäste kamen und gingen wie ein
     steter Fluss. Clara sah ihn kurz an, dann traten sie durch die Tür
     ins Innere. Der erste Eindruck war eher enttäuschend. Das Café
     mit seinen ungeheuer hohen Decken, von denen eicheiförmige Glaslampen
     hingen, wirkte wenig gemütlich und verströmte eher
     Bahnhofsatmosphäre. Wäre er allein gewesen, hätte er
     vermutlich auf dem Absatz kehrtgemacht, doch Clara schaute sich schon nach
     einem Tisch um. Und als Leo einen Moment innehielt, spürte er plötzlich
     die Energie und Lebendigkeit, die von den vielen Menschen an den Tischen
     ausging. Sie redeten durcheinander, in Gruppen, zu dritt oder paarweise,
     es gab lautstarke Diskussionen ebenso wie leise Zwiegespräche mit vorgebeugten
     Köpfen. Also doch eine Künstlerkneipe, dachte er belustigt.
    Sie fanden einen freien
     Zweiertisch an der Wand, von dem aus sie den ganzen Raum überblicken
     konnten. Als sie sich gesetzt und etwas zu trinken bestellt hatten, fühlte
     Leo sich plötzlich ganz unbeschwert, als erlaubte er sich ein
     kleines, nicht geplantes Abenteuer.
    Am Nebentisch saßen
     zwei Männer und eine Frau, die sich angeregt unterhielten, und als
     Leo bemerkte, dass Clara zuhörte, entschloss er sich, ebenfalls dem
     Gespräch zu lauschen.
    »Er hat gesagt, ich müsse
     noch ein wenig an den Dialogen feilen, aber der Rest sei ausgezeichnet«,
     verkündete der eine Mann, der Mittelscheitel und Nickelbrille trug
     und überaus ernsthaft wirkte. »In den Dialogen liege der Schlüssel,
     meinte er, auf einen dialogischen Roman habe er gewartet. Er habe genug
     von inneren Monologen und Gedankenströmen«, fügte er
     hinzu.
    »Dein perfekter
     Konjunktiv in allen Ehren, Otto, aber ich halte nichts von konventionellen
     Formen, sie sind bürgerlich und überholt. Im Dadaismus mischen
     sich Formen, bilden ein neues Ganzes. Erinnert ihr euch an den Wettkampf
     zwischen einer Nähmaschine und einer Schreibmaschine? Valeska Gert
     tanzte dazu und hielt zwei Pfund Spargel im Arm. Und die Karikaturen von
     Grosz, das ist subversiv, das bricht mit dem Althergebrachten …« 
    »Ach, dein Dadaismus
     hat seinen Höhepunkt längst überschritten, Dada ist tot«,
     entgegnete der Otto genannte Mann herablassend und nahm einen Schluck
     Kaffee. »Sinnlose Wortfetzen, unverständliche Bilder,
     grauenhafter Lärm, das interessiert heute nicht mehr. Die Menschen
     wollen Ordnung, ein festes Gefüge, das ihnen Halt bietet.«
    »Und das willst du
     ihnen mit deinem Roman geben?«, fragte der andere spöttisch.
     »Einem Roman, der in einer untergegangenen Gesellschaft spielt?
     Baltischer Adel, ich bitte dich!«
    Nun mischte sich die junge
     Frau ins Gespräch, die ihr Haar rot gefärbt und die Lippen auffällig
     violett geschminkt hatte.
    »Ihr

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