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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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stellte sein Glas ab. Dann beugte er sich vor. »Wenn es
     vorbei ist, werde ich Ihnen alles erzählen, versprochen.«
    *
    Der Abschied vor Claras Haustür
     verlief eher förmlich, nur ein Händedruck, doch Leo spürte
     auch ein leises Zögern, bevor sie seine Hand losließ, als täte
     es ihr ein wenig leid.
    »Ich danke Ihnen für
     den schönen Abend«, sagte sie sanft. »Und das nächste
     Mal suchen Sie das Lokal aus.«
    Sein Herz schlug heftig, als
     die Tür hinter Clara ins Schloss fiel, und er spürte noch den
     Druck ihrer Hand. Er ging langsam nach Hause, als wollte er sich nicht
     eingestehen, dass der Abend vorüber und die Nacht angebrochen war. Er
     sah auf die Uhr. Kurz vor elf. Hoffentlich war Frau Meyer nicht
     ungehalten, dass er ihre Hilfe so lange in Anspruch genommen hatte.
    Leo überlegte flüchtig,
     ob es richtig gewesen war, Clara von dem Fall Wegner zu erzählen,
     sagte sich dann aber, dass seine verheirateten Kollegen
     vermutlich nicht anders handelten. Denn wie sollte man das ertragen, ohne
     mit anderen darüber zu sprechen?
    Dann ließ er sich noch
     einmal Claras letzten Satz auf der Zunge zergehen. Er schmeckte nach
     Anfang.

 
    15
    Leo hatte das gemeinsame
     Sonntagsessen mit Robert und den Kindern verschieben und erneut die Hilfe
     der netten Frau Meyer in Anspruch nehmen müssen. Natürlich hätte
     er die Kollegen in die Togostraße schicken können, doch der
     Drang, den Dingen selbst auf den Grund zu gehen, der immer wieder zu
     Reibereien mit seiner Schwester führte, ließ ihm keine Ruhe.
     Geltungssucht hatte Ilse es genannt, doch er empfand es als selbstverständlich,
     dass er als leitender Kommissar persönlich vor Ort war. Leo wusste,
     dass die Menschen hier der Polizei oft misstrauisch begegneten, und hatte
     es daher vorgezogen, allein zu Familie Görlich zu gehen, während
     Walther noch einmal Thea Pabst wegen des Porträts aufsuchen sollte.        
    In der Togostraße
     reihten sich große Mietshäuser aneinander, Emailleschilder
     zeugten von den zahlreichen Gewerbebetrieben in den Höfen dahinter.
     Auf den Gehwegen spielten ganze Horden von Kindern, der einzige Reichtum,
     mit dem die Familien in dieser Gegend aufwarten konnten.
    Nr. 79B war ein besonders großes
     Gebäude mit schmuckloser grauer Putzfassade und gleichförmigen
     Fensterkreuzen, das schon von außen trostlos wirkte. Leo drückte
     die Klinke der großen Flügeltür hinunter und wurde in der
     Durchfahrt beinahe von einem Jungen umgerannt, der ein kaputtes
     Steckenpferd hinter sich herzog und es furchtbar eilig zu haben schien.
    »Kiek doch, wo de
     hinloofst«, brüllte er und stürmte an Leo vorbei, bevor
     der ihn festhalten konnte.
    Dann rasten zwei andere
     Jungen hinterher. »Wo isser hin?
    Det Aas hat unser Pferd
     jeklaut«, schrie der eine. Leo antwortete mit einem Achselzucken und
     ging grinsend weiter. Er erinnerte sich an seine Jugend in Moabit. Auch er
     war ein ungestümer Bengel gewesen, der Äpfel von Verkaufskarren
     klaute und Türklinken mit Leim bestrich. Im Hof blieb er stehen,
     schaute sich um und hielt instinktiv den Atem an. Die Luft schien zu
     stehen und war trotz der Kälte vom Gestank menschlicher Ausdünstungen,
     billiger Kohlgerichte und Fäkalien erfüllt.
    Das ist der Unterschied,
     dachte er, so etwas hatte es in der Welt seiner Kindheit nicht gegeben.
     Die Gemüsehandlung seines Vaters hatte immerhin genug eingebracht, um
     eine kleine, aber saubere Wohnung im Souterrain des Vorderhauses zu
     mieten, möglichst weit weg vom ersten und zweiten Hof, da mit der
     Entfernung von der Straße auch Schmutz und Armut wuchsen. Seine
     Eltern hatten um ihre Ehrbarkeit gekämpft, ein bürgerliches
     Leben war ihnen wichtiger gewesen als alles andere. Daher hatte es seinem
     Vater auch nicht sehr gefallen, dass sein Sohn zur Polizei ging; er schien
     zu befürchten, der Umgang mit Verbrechern könne auf Leo abfärben.
    Er warf nur einen flüchtigen
     Blick auf den stummen Portier, weil die Emailleschilder mit den Namen der
     Mieter meist hoffnungslos überholt waren, und wandte sich an einen
     vorübergehenden Mann, der eine zweirädrige Karre hinter sich
     herzog. »Verzeihung, in welchem Aufgang finde ich Familie Görlich?«
    Der Mann blieb mit einem Ruck
     stehen. Seine tiefliegenden Augen blickten feindselig. »Was wolln Se
     denn von denen?«
    »Das möchte ich
     lieber selbst mit ihnen besprechen«, erwiderte Leo knapp, da ihm der
     unverschämte Ton

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