Tod in Blau
es Schneider brühwarm erzählt? Nicht um mir
zu schaden, aber du weißt, wenn man jemanden liebt, denkt man nicht
immer klar und vernünftig. Auf jeden Fall käme ich in Teufels Küche.
Und wenn an der Sache nichts dran sein
sollte, habe ich ihr alles kaputt gemacht.«
»Von Malchow würde
nicht wagen, dich zu belügen, Leo. Wenn er dir so etwas erzählt,
muss er damit rechnen, dass du in seiner Abteilung nachfragst.«
Walther dachte nach und kratzte sich dabei mit dem Bleistift am Kopf.
»Ich kann es nicht
riskieren, mit Ilse darüber zu sprechen«, sagte Leo. Dann fiel
ihm noch etwas ein. »Und wie verhalte ich mich, wenn ich nach Hause
komme, und er sitzt in der Küche und isst Erbsensuppe? Oder führt
Georg mal wieder den Wagen vor?«
Walther sah betreten zu
Boden. »Ich fürchte, dir bleibt keine Wahl.«
»Also kann ich nur
abwarten und zusehen, wie man ihn verhaftet, und es Ilse nachträglich
erklären.« Leos Stimme klang bitter. »Und von Malchow hat
noch einen draufgesetzt. Ich soll mich für ihn verwenden, damit er
wieder der Mordinspektion zugeteilt wird. Mit anderen Worten, ich soll ihn
persönlich anfordern, sonst bringt er meine Schwester bei den
Ermittlungen ins Spiel.«
Es klopfte, Stahnke und Berns
kamen herein.
»Guten Morgen. Nettes
Wochenende gehabt? Was steht heute an?«, grüßte Berns
vergnügt.
Leo bot ihnen Stühle an
und suchte seine Unterlagen zusammen, als wäre nichts geschehen.
»Einiges. Es gibt neue Entwicklungen. Wir müssen Frau Wegner
noch einmal auf den Zahn fühlen. Robert, du erkundigst dich nach der
rechtlichen Lage bei Adoptionen. Wer kann unter welchen Umständen ein
Kind annehmen?« Er schaute die Kollegen an. »Wir haben
erfahren, dass Frau Wegner seit längerer Zeit den Wunsch hegt, ein
Kind zu adoptieren, während ihr Mann sowohl ein eigenes als auch ein
angenommenes Kind ablehnte. Womöglich könnte dies ein bislang
unbekanntes Motiv sein.«
Berns nickte und machte sich
Notizen. »Wir könnten uns in Waisenhäusern umhören,
ob sie dort nachgefragt hat.«
»Gute Idee.«
Walther war aufgestanden.
»Wenn es eilig ist, fange ich sofort damit an.«
Leo nickte ihm zu und wandte
sich an Stahnke und Berns.
»Sie beide ziehen jetzt
doch nähere Erkundigungen über diese Asgard-Gesellschaft ein.«
Er holte die entsprechenden Seiten der Akte Carl Bremer aus einer
Schublade und schob sie den Kollegen hin. »Ich will wissen, womit
sich dieser Verein genau beschäftigt, wer dazugehört, wo er
zusammentrifft. Sie schauen im Archiv nach und fragen bei den großen
Zeitungen nach. Ich selbst habe noch eine andere Quelle. Das wäre
vorerst alles.«
Stahnke und Berns sahen sich
ein wenig verwundert an und verabschiedeten sich. Als Leo allein war,
stand er auf und trat ans Fenster. Verdammt, wieso konnte Ilse nicht zur
Abwechslung einmal Glück haben? Natürlich hatte er sich seine
Gedanken gemacht, aber diese Enttäuschung hätte er ihr gern
erspart. Zumal er nach dem Abend mit Clara Bleibtreu so glücklich
gewesen war, dass er seiner Schwester nur das Beste wünschte. Er
presste die geballte Faust gegen den Mund und blieb mit gesenktem Kopf am
Fenster stehen.
*
Als Leo vor der Tür von
Kriminaloberkommissar Gennats Büro stand, fragte er sich, weshalb er
nicht früher auf diese Idee gekommen war. Der Leiter der
Mordinspektion hatte ihm in schwierigen Situationen schon öfter zur
Seite gestanden und galt als absolut verschwiegen. Leo klopfte.
Die freundliche Stimme von
Gertrud Steiner, Gennats Sekretärin, bat ihn herein. Sie saß
hinter ihrer schwarzen Schreibmaschine und blickte ihm lächelnd
entgegen. »Herr Wechsler, Sie habe ich ja lange nicht gesehen. Der
Herr Oberkommissar telefoniert gerade. Möchten Sie?«
Sie deutete auf ein Tablett
mit Kuchen, Tellern und Gabeln, das neben der Schreibmaschine stand.
Gertrud Steiner war im Präsidium auch als Bockwurst-Trudchen bekannt,
da sie ihren Chef nicht nur mit Kuchen, sondern auch mit herzhaften Köstlichkeiten
versorgte. Leo zögerte.
»Keine Sorge, es reicht
schon. Greifen Sie zu.«
Leo, dem plötzlich
auffiel, dass er seit Stunden nichts gegessen hatte, nahm sich ein Stück
Frankfurter Kranz, das er im Stehen aß, während Fräulein
Steiner in rasendem Tempo weitertippte. Er hörte, wie nebenan ein
Stuhl über den Boden scharrte, schwere Schritte erklangen, dann stand
Weitere Kostenlose Bücher