Tod in Blau
unbedingt ein Kind, das
hatte er schon öfter erwähnt. Er selbst war dagegen, weil er
einfach nicht Vater werden wollte. Es gibt solche Männer, Frauen
übrigens auch. Die keine Kinder wollen, meine ich.«
»Und?«, fragte
Leo nach.
»Na ja, eine Zeit lang
hat sie wohl so getan, als hätte sie sich mit ihrer kinderlosen Ehe
abgefunden. Doch dann fing sie auf einmal an, von Adoption zu sprechen.
Wegner wehrte sich auch diesmal, weil es für ihn keinen Unterschied
bedeutet hätte. Kind in der Wohnung, Unruhe, Gebundenheit,
finanzielle Verantwortung. All das, was nicht in sein Leben passte.«
Leo überlegte. Allmählich
gewann Wegner für ihn an Kontur. Ein interessanter, liebenswürdiger
Mann, beliebt bei Freunden und Kollegen, erfolgreich bei Frauen, über
den die meisten nur Gutes zu sagen hatten. Wäre da nicht seine eigene
Frau gewesen. Schon bei der ersten Befragung hatte sie anklingen lassen,
dass es einen Riss in ihrer Ehe gegeben hatte, eine Kluft, die aus der
Verschiedenheit der Charaktere und Interessen rührte. Doch warum
hatte sie sich nicht scheiden lassen, wenn sie unglücklich mit ihm
war? Angst vor der Einsamkeit, finanzielle Abhängigkeit, eine starke
sexuelle Bindung, alles war denkbar. Doch der übergroße Wunsch
nach einem Kind, notfalls auch durch Adoption, brachte eine neue Note ins
Spiel.
»Hatte sie sich damit
abgefunden, dass er es nicht wollte?«, fragte Leo.
Mutter Freese klopfte die
Asche von ihrer Zigarre. »Vor einigen Wochen kam er abends her und
war sehr schlechter Laune. Das passte gar nicht zu ihm, also hab ich
nachgefragt. Worauf er ziemlich kurz angebunden meinte, seine Frau lasse
ihm einfach keine Ruhe. Womit, hat er nicht gesagt. Womöglich meinte
er die Sache mit der Adoption.«
Leo stand auf. »Vielen
Dank, Frau Freese. Würden Sie diese Aussage auch beeiden?«
»Natürlich. Ich
stehe zu meinem Wort.« Sie verabschiedete ihn mit einem herzhaften Händedruck.
»Finden Sie heraus, wer das getan hat. So etwas hat der Wegner nicht
verdient. Außerdem war er mein Stammgast.«
*
Auf dem Heimweg war Leo mit
sich zufrieden. Er sah auf die Uhr, als er in die Elektrische stieg. Ilse
war sicher schon zu Hause. Hoffentlich gut gelaunt. Und ihm war, als hätte
sich an diesem Wochenende auch für ihn etwas unwiderruflich verändert.
17
Am Montagmorgen war Leo
zeitig im Büro. Es gab viel zu erledigen. Sie mussten den Hinweisen
aus der »Palette« nachgehen, und ein weiterer Besuch bei Paul
Görlich stand an. Er wunderte sich, als das Telefon klingelte und Fräulein
Meinelt einen Anruf von Thea Pabst ankündigte.
»Hier Wechsler, guten
Morgen, Fräulein Pabst.« Er hätte nie gedacht, dass Künstler
so früh aufstanden.
»Ich bin so froh, dass
ich endlich mein Bild habe, und dachte, ich rufe kurz an, um Ihnen
Bescheid zu geben. Die Sache hat sich also erledigt.«
Leo griff nach Stift und
Zettel. »Augenblick mal, wie sind Sie denn an das Bild gekommen?«
»Ich war bei Frau
Wegner und habe ganz vernünftig mit ihr gesprochen. Sie hat es mir
verkauft, da es ohnehin nur unangenehme Erinnerungen in ihr weckt.«
»Verkauft?«,
fragte Leo überrascht, als er an die Zeugenaussage über den
Streit im Treppenhaus dachte.
»Ja, Arnold wollte es
mir wohl schenken, auch wenn er es mir gegenüber nie erwähnt hat«,
sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Sie haben
deswegen gestritten. Aber Frau Wegner kann das Geld gut gebrauchen, wegen
des Kindes und so weiter. Und ich war ohnehin davon ausgegangen, dass ich
es kaufen müsste.«
»Nicht so schnell, Fräulein
Pabst«, warf Leo ein. »Von welchem Kind sprechen Sie?«
Er stenographierte hastig mit.
»Frau Wegner hat erzählt,
sie möchte ein Kind adoptieren. Wahrscheinlich ist sie einsam, jetzt
wo Arnold tot ist.«
»Hat sie sich näher
dazu geäußert?«
»Nein, sie erwähnte
es nur kurz, schien aber sehr glücklich darüber zu sein. Mehr
kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
Leo schob den Notizblock
beiseite. »Jedenfalls danke ich Ihnen, Fräulein Pabst. Auf
Wiederhören.« Er hängte ein.
Erst Mutter Freese und nun
dieser Anruf, das konnte kein Zufall sein. Sobald Robert kam, würde
er ihn losschicken, damit er Erkundigungen zum Adoptionsrecht einzog. Wenn
es nun ein Motiv jenseits' von Eifersucht und Habgier gegeben hatte?
Leo wollte gerade aufstehen
und im Vorzimmer nach Robert fragen,
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