Tod in Bordeaux
verspürte eine gewisse Schadenfreude. Vielleicht ließ sich ja daraus etwas machen. Er schob Jacques zur Seite, ging an die Theke und bat den Wirt mit zu kommen. Die Profispieler fixierend drängte er sich durch die Menge. Kurz vor ihnen steckte er die rechte Hand unter die Jacke. Die beiden wichen einen Schritt zurück.
«Guten Abend, Messieurs.» Statt eines Revolvers zog Martin die Brieftasche hervor, entnahm ihr vier 50-Euro-Scheine und drückte sie dem verblüfften Wirt in die Hand. «Er ist der Schiedsrichter, und das ist euer Gewinn, den habt ihr sicher. Aber wir spielen weiter. Was wollt ihr, Geld verdienen - oder meinen Freund einschüchtern?»
«Hau ab», sagte der Fremde im Anzug, der Martin auf unangenehme Weise an einen Zuhälter erinnerte. «Das geht dich einen Dreck an. Er hat verloren - und zahlt.» Er zeigte auf Jacques, dem klar wurde, dass er sich zu weit vorgewagt hatte.
«Vielleicht hat er nur Pech gehabt. Habt Ihr Angst, ein vernünftiges Spiel zu machen? Dreiband? Nein? Zu schwer. Nun gut, dann Zweiband. Auch nicht? Was wollt Ihr, Kinderspiele?» Martin drehte sich zum Wirt um. «Dann gib mir das Geld wieder. Sie wollen es nicht, Jacques hat keins, und meines wollen sie auch nicht. Ihr könnt ihn hier nicht verprügeln. Das sind alles seine Freunde hier.» Martin wies in die Runde und streckte die Hand nach dem Geld aus.
«Nein», unterbrach der im Blaumann. «Zweiband, aber ohne Absprache, très bien.»
Martin hatte hoch gepokert, jetzt musste er zeigen, was er konnte. Die zweihundert Euro interessierten ihn wenig. Aber wenn er Jacques’ Spielschulden beglich, war dieser ihm verpflichtet. Jacques war ein Schlitzohr, und genau so musste man ihn behandeln.
Martin nahm ihn beiseite und erklärte ihm, wie er Vorgehen wollte. Jacques beherrschte zwar sein eigenes Spiel, dachte aber nicht strategisch, war nicht in der Lage, mehrere Züge des Gegners vorherzusehen und sie zu durchkreuzen. «Achte auf meine Augen, sie werden dir zeigen, wohin du spielen musst.»
Es wurde still rings um den Billardtisch, der Einsatz war hoch. Jacques war technisch gut, gekonnt führte er die Bälle, platzierte sie so, dass er sein Spiel fortsetzen konnte. Lagen die Kugeln zu schlecht für eine sichere Karambolage, zeigten ihm Martins Augen, wohin er zu stoßen hatte, damit der Gegner nicht an die Bälle kam und Martin weiterspielen konnte. Nach einer halben Stunde war der Verlust ausgeglichen, und sie hatten noch 85 Euro dazugewonnen. Ihre Gegner wollten weitermachen, was jedoch am Einspruch der anderen Gäste scheiterte, die den Tisch für sich beanspruchten. Wütend verließen die Profis das Bistro, mit der Empfehlung des Wirtes, sich hier besser nicht wieder blicken zu lassen.
«Wo hast du das gelernt?», fragte Jacques, als sie sich zum Essen an einen Tisch setzten. «Neulich warst du nicht so gut.»
«Da habe ich auch verlieren wollen. Während des Studiums hatte ich eine Bude in der Nähe des Bahnhofs. An der Ecke war ein Billardsalon, in dem sich schon morgens das ganze Gesindel rumgetrieben hat. Gauner eben, kleine Kriminelle, Zuhälter, Autoschieber. Die Besten aber waren die Rentner. Denen konnte ich stundenlang zusehen, und sie haben mir viel gezeigt und erklärt. Aber jetzt brauche ich deine Hilfe.»
«Das habe ich mir gleich gedacht, dass noch etwas nachkommt. Selbstlos bist du nicht. Eins kannst du dir gleich aus dem Kopf schlagen. In die Garage von deinem toten Freund kriegst du mich nicht!»
«Es ist nicht so kalt da, aber das musst du auch gar nicht. Ich brauche Leute zum Aufpassen, die vertrauenswürdig sind und auf Gastons Frau und die Kinder Acht geben. Rund um die Uhr muss jemand da sein, besser zwei, Tag und Nacht, bei jedem Wetter. Es gilt lediglich, Präsenz zu zeigen. Ich bin zwar die nächsten Tage auch da, ich mache die Kellerarbeit, aber ich habe noch anderes zu tun.»
«Du? Ich denke, du bist Händler. Du machst die Kellerarbeit?»
«Ja und? Einige Leute haben etwas dagegen. Die wollen auch nicht, dass der Wein gut wird.»
«Wenn du hierher rauskommst, dann sitzt du wohl mächtig in der Tinte?»
«Kann man so nennen. Und? Kann ich mit dir rechnen?»
«Weshalb nimmst du keinen Wachdienst?»
«Will ich nicht. Die machen das für Geld. Wenn ihnen einer mehr zahlt, gucken sie weg. Die Hälfte ist doch kriminell veranlagt. Sonst würden sie so einen Job nicht machen, Geldtransporter fahren, Schäferhunde ausführen, immer mit ’ner Pistole rumlaufen ...»
Mit einem Schlag
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