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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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stützten ihn,reichten ihn von Hand zu Hand weiter, und in der großen Masse sich regender Schatten, die sie draußen vor der Baracke erwartete, verlor Lituma ihn vorübergehend aus den Augen. Sie bewegten sich leise und flüsterten, aber als der Albino in ihrer Mitte war und sie ihn sahen, fühlten oder erahnten, verstummten alle und verharrten reglos, wie in dem Augenblick, dachte Lituma, wenn der Christus, die Jungfrau, der Schutzheilige auf den Schultern ihrer jeweiligen Bruderschaft im Kirchenportal erscheinen und die Prozession beginnt. In der eisigen Finsternis der tiefen Nacht, unter Millionen von Sternen, zwischen den massigen Formen der Berge und der Baracken herrschten jetzt die Feierlichkeit und die erwartungsvolle Hingabe jener Ostermessen, wie sie Lituma aus seiner Kindheit erinnerte. Sie waren unendlich weit weg, so weit wie das gerötete Gesicht Tomasitos. Er spitzte die Ohren, und es gelang ihm, Casimiro Huarcaya zu hören, von dem ihn die dichte Menge schon ein gutes Stück entfernt hatte:
    »Ich bin mit niemandem verfeindet, ich will es auch nicht sein. Es war das Gift, das Dionisio mir gegeben hat! Das Gebräu, das mir seine Frau zusammengerührt hat! Deshalb habe ich dummes Zeug geredet, vorhin.«
    »Das wissen wir doch, Huarcaya«, beruhigten sie ihn und klopften ihm auf die Schulter. »Mach dir nicht den Kopf heiß. Niemand ist dein Feind, Bruderherz.«
    »Wir alle sind dir dankbar, Bruder«, sagte eine Stimme,so sanft, daß sie von einer Frau hätte stammen können.
    »Ja, ja«, wiederholten mehrere, und Lituma stellte sich vor, daß Dutzende von Köpfen nickten und auf diese Weise dem Albino stumm ihre Dankbarkeit, ihre Zuneigung bezeugten. Ohne einer befehlenden Stimme zu bedürfen, ein jeder im Wissen, was er zu tun hatte, setzte sich die Menge in Bewegung, und obwohl niemand sprach oder flüsterte, fühlte man, wie sie in dichtem, geordnetem Zug, ergriffen und bebend den Weg in die Berge antrat. ›Zum verlassenen Bergwerk, zu den Resten von Santa Rita‹, dachte Lituma. ›Dahin gehen sie.‹ Er hörte das Geräusch der vielen Schritte auf den Steinen, das Aufspritzen der Pfützen, das sanfte Vorbeigleiten der Körper, das Geraschel der Berührungen, und als ihm bewußt wurde, daß schon viel Zeit vergangen war, ohne daß er die Klagen des Albino gehört hatte, fragte er seinen Nachbarn mit leiser Stimme:
    »Ob Casimiro Huarcaya wohl schon tot ist?«
    »Besser, du redest nicht.«
    Aber der zu seiner Rechten erbarmte sich seiner Unwissenheit und klärte ihn mit kaum hörbarer Stimme auf:
    »Damit er gut aufgenommen wird, muß er lebend dort unten ankommen.«
    Sie würden ihn durch die Schachtöffnung des verlassenen Bergwerks werfen, wenn er noch bei Bewußtsein wäre. Sie würden bis dort hinaufsteigen, in einerProzession, schweigend, in sich gekehrt, starr; sie würden ihn an den Armen fassen, ihm bei jedem Stolpern aufhelfen, ihn beruhigen, ihn ermuntern, ihm zu verstehen geben, daß sie ihn nicht haßten, daß sie Achtung vor ihm empfanden, daß sie ihm dankten für das, was er für sie tun würde, und wenn sie an den Eingang kämen, der sich, von ihren Taschenlampen erhellt, im pfeifenden Wind auftäte, würden sie ihn verabschieden und ihn hinunterstoßen und hören, wie er sich mit einem langen Schrei entfernte und mit einem fernen trockenen Geräusch aufschlug, und sie würden sich vorstellen, wie er mit verrenkten Gliedern auf den Steinen am Grund dieses Stollens lag, bei seinem Stelldichein.
    »Der fühlt und merkt nichts mehr«, sagte jemand hinter seinem Rücken, als könne er seine Gedanken lesen.
    »Der Korporal Lituma ist k. o.«
    »Timoteo Fajardo war nicht eigentlich mein erster Ehemann, mein einziger richtiger Ehemann ist immer Dionisio gewesen. Timoteo habe ich nie geheiratet, wir haben uns nur zusammengetan. Meine Familie behandelte ihn schlecht und die Leute in Quenka noch schlechter. Obwohl er sie von dem pishtaco Salcedo befreit hatte, legte niemand bei meinem Vater ein gutes Wort für ihn ein, damit er ihm erlaubte, mich zu heiraten. Sie säten eher Zwietracht gegen Timoteo, indem sie zu meinem Vater sagten: ›Wie könnenSie erlauben, daß dieser Großnasige aus den Pampas de los Morochucos Ihnen die Tochter wegnimmt, haben diese Leute nicht den Ruf, Viehdiebe zu sein?‹ Deshalb sind wir geflohen und nach Naccos gekommen. Als wir bei unserem Fortgang auf den Bergpaß gelangten, von dem aus man das Dorf sehen kann, haben wir diese Undankbaren verflucht. Nie bin ich

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