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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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eines Passagiers aus.»
    «Bedaure, dazu habe ich keine Lust.»
    «Warum nicht, Miss Grey? Wir würden ein gutes Honorar dafür zahlen.»
    «Wie viel?»
    «Fünfzig Pfund… oder… vielleicht auch etwas mehr. Sagen wir, sechzig.»
    «Nein», sagte Jane. «Ich will trotzdem nicht. Ich wüsste nicht, was ich da schreiben sollte.»
    «Oh, das ist kein Problem», erklärte der junge Mann leichthin. «Sie brauchen den Artikel ja nicht selbst zu schreiben. Einer unserer Leute wird sich von Ihnen ein paar Anregungen holen und das Ganze für Sie abfassen. Durchaus nicht nötig, dass Sie sich selbst bemühen.»
    «Trotzdem mag ich nicht.»
    «Auch nicht für hundert Pfund? Im Ernst – ich würde die Summe auf hundert erhöhen und erbitte dann nur noch ein Bild von Ihnen.»
    Aber Jane beharrte auf ihrer Weigerung. Die Vorstellung sei ihr unsympathisch, sagte sie.
    «Dann trollen Sie sich gefälligst», mischte sich Norman Gale ein. «Miss Grey wünscht, nicht länger belästigt zu werden.»
    Hoffnungsvoll wandte sich der Braungekleidete nun an Norman.
    «Mr Gale, wenn ich nicht irre? Sehr angenehm, Mr Gale! Also hören Sie: Wenn Miss Jane an Überempfindlichkeit leidet, warum wollen Sie es dann nicht an ihrer Stelle machen? Fünfhundert Worte. Und wir zahlen Ihnen denselben Betrag, den ich soeben Miss Grey angeboten habe. Das ist ein ausgezeichnetes Honorar, weil nämlich die Ansicht einer Frau über die Ermordung einer anderen Frau eigentlich mehr wert ist als die Ansicht eines Mannes über dieses Thema.»
    «Und ich danke dafür. Nicht eine Silbe werde ich für Sie schreiben.»
    «Abgesehen von dem Honorar erwachsen Ihnen daraus auch andere Vorteile, Mr Gale, alle Ihre Patienten werden es lesen!»
    «Das fürchte ich ja gerade am meisten.»
    «Fürchten…? Mein Lieber, ohne Publicity erreichen Sie heutzutage gar nichts.»
    «Möglich. Jedoch kommt es auf die Art der Publicity an. Ich hoffe, dass wenigstens ein oder zwei meiner Patienten keine Zeitungen lesen und somit nicht erfahren, dass ich in einen Mordfall verwickelt worden bin. Nun haben Sie Ihre Antwort von uns beiden erhalten. Gehen Sie jetzt freiwillig, oder muss ich Ihnen Beine machen?»
    «Warum denn so heftig, Mr Gale?», fragte der junge Mann gelassen. «Guten Abend, die Herrschaften! Und rufen Sie mich im Büro an, falls Sie Ihre Meinung ändern sollten. Hier ist meine Karte.» Fröhlich verließ er die leere Teestube. «Gar nicht übel!», murmelte er. «Genügt durchaus als Interview.»
    Tatsächlich befand sich in der nächsten Ausgabe des Weekly Howl eine besondere Spalte, die die Ansichten von zwei Zeugen im Flugzeug-Mordfall brachte. Miss Jane Grey hatte erklärt, sie sei zu bekümmert, um viel über die Angelegenheit sprechen zu können. Es sei ein entsetzlicher Schock für sie gewesen, und sie hasse es, auch nur daran zu denken. Mr Norman Gale hatte sich ausführlich über die Wirkung geäußert, die die Berührung mit einem Kriminalfall für die berufliche Laufbahn eines Mannes habe, und humorvoll hinzugefügt, er hoffe, dass etliche seiner Patienten die Tageszeitungen nicht läsen und infolgedessen nicht das Schlimmste argwöhnten, wenn sie sich auf dem Leidensstuhl niederließen.
    Als der junge Mann verschwunden war, meinte Jane: «Ich möchte wissen, warum er mit seinem Anliegen nicht zu wichtigeren Leuten geht.»
    «Vielleicht hat er es versucht und kein Glück gehabt.» Dann blickte Norman Gale ein Weilchen grübelnd vor sich hin. «Jane», begann er endlich, «nicht wahr, Sie gestatten mir, Sie beim Vornamen zu nennen? Jane, wer… wer hat Ihres Erachtens diese Madame Giselle ermordet?»
    «Ich habe keine Ahnung.»
    «Haben Sie darüber denn nicht nachgedacht?»
    «Schon. Doch erst seit heute ist mir eigentlich richtig klar, dass es einer von unseren Mitreisenden gewesen sein muss.»
    «Ja, der Vorsitzende machte kein Hehl daraus. Jane, ich weiß, dass ich es nicht war, und ich weiß, dass Sie es nicht waren – weil ich Sie nämlich fast die ganze Zeit über verstohlen beobachtet habe.»
    «Ich weiß dasselbe – aus demselben Grunde», sagte Jane leise. «Mithin ist es einer von den anderen gewesen. Aber wer? Haben Sie eine Vermutung?»
    «Nein.»
    Wieder schaute Gale vor sich hin. Er schien einen bestimmten Gedanken zu verfolgen, und als wolle sie ihn nicht stören, dämpfte Jane ihre Stimme noch mehr.
    «Wir hätten doch etwas sehen müssen – ich wenigstens. Mit Ihnen verhält es sich anders. Sie saßen mit Blick in die andere Richtung.

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