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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Monsieur Poirot», sagte der Franzose, indem er einen Händedruck mit dem kleinen Belgier tauschte. «Außerdem hörte ich durch Monsieur Giraud von Ihnen.» Ein kaum merkliches Lächeln spielte um seine Lippen, und Poirot, der sich denken konnte, in welchen Ausdrücken Giraud, den er selbst ironisch den «menschlichen Jagdhund», zu nennen pflegte, von ihm gesprochen hatte, erlaubte sich als Erwiderung ebenfalls ein diskretes kleines Lächeln.
    «Sie und Inspektor Japp würden mir eine Freude bereiten, wenn Sie zum Abendessen meine Gäste wären», meinte Poirot dann verbindlich. «Ich habe schon Maître Thibault eingeladen. Das heißt selbstverständlich, wenn Sie und mein Freund Japp gegen meine Mitarbeit nichts einzuwenden haben.»
    Japp klopfte ihm herzlich auf den Rücken. «Im Gegenteil, Sie sollen Hahn im Korbe sein.»
    «Wir werden es als eine Ehre betrachten», versicherte der Franzose förmlich und verbeugte sich in seiner melancholischen Art.
    «Wie ich vorhin einer reizenden jungen Dame sagte, brenne ich darauf, mich von dem Verdacht zu reinigen.»
    Inspektor Japp lachte von neuem auf. «Den Geschworenen haben Sie ganz und gar nicht gefallen! Monsieur Hercule Poirot des Mordes verdächtig – das ist der beste Witz, den ich seit Langem gehört habe!»
    Durch stillschweigende Übereinkunft wurde während des ausgezeichneten Mahls, mit dem der kleine Belgier seine Freunde bewirtete, der Fall nicht erwähnt.
    «Also besteht tatsächlich die Möglichkeit, in England gut zu speisen», murmelte Fournier lobend, als er diskret einen Zahnstocher benutzte.
    «Ein ausgezeichnetes Diner», erkannte auch Maître Thibault an.
    «Etwas französisiert, aber verdammt lecker», lautete Inspektor Japps Urteil.
    «Eine Mahlzeit muss immer angenehm für den Magen sein», erläuterte der Gastgeber. «Sie darf ihn nicht so beschweren, dass das Denken gelähmt wird.»
    «Ich kann nicht sagen, dass mein Magen mir je Scherereien bereitet hat», lachte der Beamte von Scotland Yard. «Doch lassen wir jetzt die Magenfrage und wenden wir uns der Arbeit zu. Monsieur Thibault hat, wie ich weiß, heute Abend noch einen Termin, sodass es ratsam wäre, vorher die wichtigsten Punkte mit ihm zu besprechen.»
    «Natürlich bin ich zu jeder Auskunft bereit, Messieurs, denn jetzt kann ich ja offener reden als vor den Geschworenen, denen gegenüber mir Inspektor Japp, mit dem ich vor der Verhandlung kurz Rücksprache genommen hatte, eine Politik der Zurückhaltung empfahl: die nackten, notwendigen Tatsachen, nicht mehr.»
    «Richtig», bestätigte der Inspektor. «Man soll sein Pulver nie vorschnell verschießen. Nun aber verraten Sie uns bitte noch etwas mehr über diese Madame Giselle.»
    «Leider weiß ich nur sehr wenig. Ich kenne die Tote, wie die Welt sie kannte – ihre öffentliche Stellung sozusagen. Über ihr privates Leben weiß ich kaum Bescheid, und wahrscheinlich kann Monsieur Fournier Ihnen erschöpfendere Auskünfte darüber geben als ich. Madame Giselle war jedenfalls eine Persönlichkeit; sie war einzigartig. Über ihr Vorleben ist ebenfalls kaum etwas bekannt. Als junge Frau muss sie meines Erachtens gut ausgesehen haben, bis ihr Gesicht durch die Pocken entstellt wurde. Im Übrigen aber war sie eine Frau, die – wenigstens ist dies mein Eindruck – Freude an der Macht hatte und sie aus tiefstem Herzen auskostete. Madame Giselle war der Typ jener schlauen Französinnen, die niemals dem Gefühl gestatten, ihre geschäftlichen Interessen zu beeinträchtigen; sie genoss indes den Ruf, in ihrer Art peinlich ehrlich zu sein.»
    Er sah, als wünsche er Fourniers Bestätigung, seinen Landsmann an, und dieser neigte bejahend sein dunkles, melancholisches Haupt.
    «Ja, sie war ehrlich – in gewissem Sinne. Dennoch hätten sich die Gerichte mit ihr befassen können, wenn irgendwelche Beweise greifbar gewesen wären. Das freilich…» Vielsagend zuckte er die Achseln. «Es hieße, so wie die menschliche Natur beschaffen ist, allzu viel zu verlangen!»
    «Sie meinen?»
    «Chantage.»
    «Erpressung?», echote Japp.
    «Ja, Erpressung einer besonderen Art. Madame Giselle huldigte dem Grundsatz, Geld lediglich gegen Solawechsel zu verleihen; und hinsichtlich der Summen sowie der Rückzahlungsmodi handelte sie nach Gutdünken, aber seien Sie versichert, dass sie ihre eigenen Methoden hatte, die eine Rückzahlung verbürgten.»
    Poirot beugte sich interessiert vor.
    «Wie Maître Thibault heute bei der Voruntersuchung bekundete, gehörten

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