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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Verbrechen wohl begangen hat? Ich habe wieder und wieder darüber nachgegrübelt.»
    Jean Dupont zuckte die Schultern. «Ich bin es nicht gewesen. Sie war zu hässlich.»
    «Nun, ich vermute, Sie würden eher eine hässliche Frau töten als eine gut aussehende.»
    «Keineswegs. Wenn eine Frau hübsch ist, liebt man sie… sie behandelt einen schlecht… sie macht einen eifersüchtig, verrückt vor Eifersucht. Schön, ich werde sie töten; das wird eine Befriedigung sein, sagt man sich.»
    «Und ist es eine Befriedigung?»
    «Das weiß ich nicht, Mademoiselle, weil ich es noch nicht ausprobiert habe.» Er lachte und schüttelte dann den Kopf. «Doch wer wird sich die Mühe machen, eine hässliche alte Frau wie die Giselle zu töten?»
    «Wenn man bedenkt, dass sie auch einmal jung und vielleicht sogar hübsch gewesen ist!», sagte Jane trübe.
    «Ja. Dass Frauen altern, ist die große Tragödie des Lebens.»
    «Sie scheinen viel über Frauen und ihr Aussehen nachzudenken, Monsieur Dupont.»
    «Natürlich. Das mutet Sie seltsam an, weil Sie Engländerin sind. Ein Engländer denkt zuerst an seine Arbeit, seine Stellung, dann an seinen Sport und ganz, ganz zuletzt an seine Frau. Ja, ja, so verhält es sich. Ich lernte in einem kleinen syrischen Hotel einen Engländer kennen, dessen Gattin schwer erkrankt war. Er selbst musste an einem bestimmten Tag irgendwo im Irak sein. Nun, ob Sie es glauben oder nicht: Er verließ seine schwer kranke Frau, um rechtzeitig ‹seinen Dienst anzutreten›. Und sowohl er als auch die Frau fanden das ganz selbstverständlich, hielten es für edelmütig, selbstlos. Aber der Doktor, der kein Engländer war, nannte ihn einen Barbaren. Eine Frau, ein menschliches Wesen – das sollte an erster Stelle stehen; seinem Beruf nachzugehen ist viel weniger wichtig.»
    «Ich meine, die Arbeit geht vor.»
    «Warum, Mademoiselle? Sehen Sie, Sie stehen auf demselben Standpunkt wie die beiden. Doch nun hören Sie meine Auffassung. Durch Verrichtung seiner Arbeit verdient man Geld; durch Verwöhnen seiner Frau gibt man es aus – mithin ist das letztere viel nobler als das erste.»
    Jane lachte.
    «Nebenbei bemerkt», fuhr er fort, «war es für mich, der ich erst zum zweiten Mal in England bin, neulich bei der Verhandlung sehr interessant, drei junge und reizende Frauen zu studieren, von denen keine der anderen glich.»
    «Und welche Meinung hegen Sie von uns dreien?», fragte das junge Mädchen belustigt.
    «Jene Lady Horbury – pah, den Typ kenne ich gut! Er ist sehr international und sehr, sehr kostspielig. Sie finden ihn rund um die Bakkarattische… das weiche Antlitz… den harten Ausdruck… und Sie wissen genau, was in fünfzehn Jahren daraus geworden sein wird. Lady Horbury lechzt nach Sensationen. Spiel mit hohem Einsatz, vielleicht auch Rauschgift, sonst ist sie uninteressant.»
    «Und Miss Kerr?»
    «Miss Kerr ist englisch bis auf die Knochen. Sie gehört zu jenem Menschenschlag, dem jeder Ladeninhaber an der Riviera Kredit gewähren würde. Und unsere Geschäftsleute sind scharfsinnig. Miss Kerrs Kleidung, obwohl im Schnitt erstklassig, hat etwas Männliches, Miss Kerr schreitet dahin, als gehöre ihr der Erdball. Nicht, dass sie eingebildet wäre – nein, sie ist eben eine Engländerin.»
    «Und ich…?»
    «Sie? Da sagte ich zu mir: Wie nett, wie furchtbar nett würde es sein, wenn ich sie eines Tages wiedersähe! Und nun sitze ich Ihnen wahrhaftig gegenüber. Bisweilen meinen die Götter es gut mit uns Sterblichen.»
    «Sie sind Archäologe, nicht wahr?», lenkte Jane ab. «Sie beschäftigen sich mit Ausgrabungen?»
    Und mit ungeteilter Aufmerksamkeit lauschte sie, während Jean Dupont von seiner Arbeit erzählte.
    «Wie viele Länder Sie kennen gelernt haben, wie viel Sie gesehen haben!», rief Jane schließlich mit einem kleinen Seufzer. «Ich dagegen werde nie von hier fortkommen und nie etwas sehen.»
    «Locken Sie denn jene wilden, unzivilisierten Teile der Erde? Bedenken Sie, dort können Sie Ihr Haar nicht legen lassen.»
    «Das hat die Natur besorgt, nicht der Friseur», erklärte Jane lachend. Plötzlich aber schaute sie auf die Uhr und verlangte hastig die Rechnung.
    Jean Dupont malte, ein wenig verwirrt, Hieroglyphen auf das Tischtuch.
    «Mademoiselle, würden Sie es als Zudringlichkeit auffassen, wenn ich Sie bitte, heute Abend mit mir zu speisen? Wie ich Ihnen sagte, fahre ich morgen nach Frankreich zurück.»
    «Das tut mir leid – ich habe schon eine Verabredung.»
    «Oh,

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