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Tod in den Wolken

Tod in den Wolken

Titel: Tod in den Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Sie wird die Polizei nicht benachrichtigen.»
    «Das können Sie nicht wissen.»
    «Mein Lieber, ich weiß so gut wie alles.»
    «Mir gefällt die Sache aber nicht.»
    «Sie werden die zehntausend Pfund ja nicht verdienen – wenn das Ihr Gewissen erleichtert», sagte Poirot.
    «Trotzdem… verstehen Sie doch, Monsieur Poirot… Ihr Plan kann mich für alle Zeit ruinieren.»
    «Die Dame wird nicht zur Polizei laufen – ich versichere es Ihnen.»
    «Es genügt, wenn sie es ihrem Gatten mitteilt.»
    «Auch ihm wird sie es nicht mitteilen.»
    «Egal – mir gefällt es nicht.»
    «Gefällt es Ihnen, Ihre Patienten zu verlieren und Ihre Laufbahn gefährdet zu sehen?»
    «Nein. Indes…»
    Poirot lächelte freundlich.
    «Sie spüren einen natürlichen Widerwillen, und außerdem empört sich Ihre Ritterlichkeit. Beides ist begreiflich. Aber glauben Sie mir, dass Lady Horbury diese schönen Gefühle nicht verdient. Sie ist sogar ein ziemlich übler Charakter. Außerdem handelt es sich ja gar nicht um richtige Erpressung. Sie, Mr Gale, sollen lediglich eine gewisse Wirkung hervorrufen. Danach, wenn der Boden vorbereitet ist, greife ich ein.»
    «Wenn Sie mich ins Gefängnis bringen…»
    «Nein, nein, nein», unterbrach Poirot ihn. «Ich bin in Scotland Yard genügend bekannt, und sollte sich etwas ereignen, so nehme ich die Schuld auf mich. Doch ich wiederhole: Es wird sich nichts anderes ereignen, als was ich prophezeit habe.»
    Seufzend gab Norman Gale schließlich allen weiteren Widerstand auf.
    «Gehen Sie eigentlich manchmal ins Theater, Mademoiselle?», wandte sich der Belgier plötzlich an Jane.
    «Ja, ziemlich oft.»
    «Haben Sie zufällig das Stück ‹Tief unten› gesehen?»
    «Ja, vor einem Monat. Es ist recht gut.»
    «Ein amerikanisches Stück, nicht wahr?»
    «Ja.»
    «Erinnern Sie sich der Rolle des Harry, die Raymond Barraclough spielt?»
    «O ja, ich fand ihn ausgezeichnet.»
    «Wirklich? Er versteht also, die Frauen zu fesseln.»
    «Unbedingt», gab Jane lachend zu.
    «Und als Schauspieler?»
    «Ausgezeichnet – ich sagte es ja bereits.»
    «Dann muss ich ihn sehen», erklärte Poirot, und das junge Mädchen starrte ihn ganz verdutzt an. Was für ein drolliger kleiner Mann! Hopste von einem Gegenstand zum andern wie ein Vogel von Zweig zu Zweig…!
    Vielleicht las er ihre Gedanken, denn lächelnd fragte er:
    «Sie billigen meine Methoden offenbar nicht, Mademoiselle?»
    «Sind Sie nicht manchmal etwas sprunghaft?»
    «Nein. Ich verfolge meinen Weg logisch.»
    «Nun, ich werde niemals begreifen, warum Sie dies oder jenes sagen.»
    «Sehr einfach. Um die Leute zum Reden zu bewegen.»
    «Und wenn sie nicht wollen?»
    «Jeder liebt es, von sich zu sprechen. Aus dieser Erkenntnis schlägt auch mancher Quacksalber Kapital. Er ermutigt die Patienten, zu ihm zu kommen, sich hinzusetzen und ihm allerlei zu erzählen. Wie sie als Zweijährige aus dem Kinderwagen fielen, wie ihre Mutter eine Birne aß und der Saft auf das gelbe Seidenkleid tropfte und wie sie als Baby den Vater am Bart zupften. Und dann sagt er zu ihnen, in Zukunft würden sie nicht mehr an Schlaflosigkeit leiden, und nimmt ihnen zwanzig Shilling ab, die sie ihm gern zahlen, denn sie haben sich ja so gut, so ungewöhnlich gut unterhalten. Und vielleicht schlafen sie danach wirklich besser.»
    «Wie lächerlich, Monsieur Poirot!»
    «Nein, es ist gar nicht so lächerlich, wie Sie denken, Mademoiselle Jane. Es basiert auf einem grundlegenden Bedürfnis der menschlichen Natur: dem Bedürfnis zu sprechen, sich zu offenbaren. Hängen Sie selbst nicht auch gern Kindheitserinnerungen nach – denken an Ihre Mutter, Ihren Vater?»
    «Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen.»
    «Ah, das ändert manches. Da hatten Sie sicher nicht viele frohe Stunden.»
    «Es war ganz lustig. Wir gehörten nicht zu jenen armen Waisen, die aus öffentlichen Mitteln unterhalten werden und in scheußlichen roten Mützen und Mänteln herumlaufen müssen.»
    «Sind Sie in England aufgewachsen?»
    «Nein, in Irland. Unweit Dublin.»
    «Ah! Also sind Sie Irin? Daher das dunkle Haar und die blaugrauen Augen, mit dem Blick…»
    «… als ob sie mit einem rußigen Finger eingesetzt worden seien», erklärte Norman Gale.
    «Wie bitte?»
    «Das pflegt man von irischen Augen zu sagen: Sie sind mit einem rußigen Finger eingesetzt worden.»
    «Wirklich? Das ist zwar nicht fein ausgedrückt, doch immerhin wird es irgendwie den Tatsachen gerecht.»
    Er verbeugte sich vor Jane. «Die

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