Tod in den Wolken
wirklicher Detektiv nicht das Geringste tauge.»
Und traurig warf er die Bananenschale in den Kamin.
«Finde heraus, wem das Verbrechen nützt, heißt im Allgemeinen meine Losung.»
«Die sicher ausgezeichnet ist», ergänzte der Schriftsteller.
«Doch in diesem Falle stößt man auch hier auf Schwierigkeiten. Das Vermögen der Giselle soll, so habe ich gehört, eine Tochter erben. Nichtsdestoweniger könnte ihr Tod auch einigen Fluggästen Vorteil bringen – sofern sie ihr nämlich Geld schuldeten und sich außer Stande sahen, es zurückzuzahlen.»
«Sehr richtig. Allein es gibt auch noch andere Lösungen. Nehmen wir einmal an, Madame Giselle habe von einem Mitreisenden etwas gewusst – meinetwegen, um nur ein Beispiel zu nennen, dass er mal einen Mordversuch unternommen hat.»
«Warum denn einen Mordversuch?», fragte Mr Clancy erstaunt. «Was für eine sonderbare Annahme!»
«In diesem Fall muss man an alles denken, Monsieur!»
«Denken nützt nichts. Wissen, darauf kommt es an.»
«Eine sehr treffende Bemerkung, Mr Clancy… Übrigens dies Blasrohr, das Sie kauften…»
«Der Teufel hole jenes Blasrohr! Ich wollte, ich hätte es nie erwähnt.»
«Haben Sie es nicht in der Charing Cross Road gekauft? In welchem Geschäft dort?»
«Es kann Driver gewesen sein, vielleicht aber auch Miller & Smith. Ich weiß es nicht mehr. Das habe ich ja diesem lästigen Inspektor Japp bereits längst gesagt, und er wird es inzwischen wohl nachgeprüft haben.»
«Ich erkundige mich aus einem anderen Grunde», erläuterte Hercule Poirot. «Zwecks Ausführung eines Experiments möchte ich nämlich gern selbst so ein Ding kaufen.»
«Ach so! Aber ob Sie eins finden? Es ist ja schließlich kein Massenartikel.»
«Trotzdem will ich mein Heil versuchen. Vielleicht sind Sie so nett, Miss Grey, sich gleich mal die beiden Firmen zu notieren.»
Jane öffnete das Notizbuch und kritzelte rasch einige, wie sie hoffte, sachgemäß aussehende Schnörkel, um dann – für den Fall, dass Poirots Anweisung echt gewesen sein sollte – die Namen in normaler Schrift auf der anderen Seite des Blattes zu vermerken.
«Und nun habe ich Ihre Zeit schon zu lange in Anspruch genommen und scheide mit tausend Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.» Poirot erhob sich von seinem knackenden Stuhl.
«Wollen Sie nicht wenigstens noch eine Banane essen?»
«Sie beschämen mich durch Ihre Güte, Monsieur Clancy.»
«Unsinn… Ich fühle mich heute Abend sehr glücklich, und zwar deshalb, weil ich eine Stockung in meiner Arbeit überwunden habe. Ich konnte für den Verbrecher in einer Kurzgeschichte keinen guten Namen finden, und vorhin entdeckte ich einen sehr passenden über dem Schaufenster eines Fleischerladens. Pargiter. Es klingt so lebensecht und wird dem Publikum gefallen.» Er lächelte Jane an. «Ja, ja, Miss Grey, das sind so Nöte eines Autors, von denen Sie nichts ahnen. Ah… Sie müssen mir gestatten, dass ich Ihnen etwas schenke», rief er unvermittelt und schoss an dem jungen Mädchen vorüber auf ein Bücherregal zu. «Hier! ‹Die scharlachrote Blüte› Ich erwähnte bereits in Croydon, dass es jenes Buch ist, das vom Pfeilgift der Wilden handelt.»
«Darf ich es wirklich annehmen?»
«Natürlich, Miss Grey… Oh, ich sehe, dass Sie nicht die bei uns übliche Pitman-Stenografie benutzen», lenkte er plötzlich ab.
«Miss Grey ist immer auf der Höhe der Zeit», erklärte Poirot rasch, da er Janes Verlegenheit bemerkte. «Sie bedient sich des neuesten, in der Tschechoslowakei entwickelten Systems.»
«Ja? Was für ein erstaunliches Land die Tschechoslowakei doch sein muss! Alles scheint von dorther zu kommen: Schuhe, Gläser, Handschuhe und nun gar auch ein neues stenografisches System. Wirklich erstaunlich. Man kann da auf Großes gefasst sein.»
Er schüttelte den beiden die Hand und beteuerte, es tue ihm ungeheuer leid, dass er ihnen so wenig habe helfen können.
Doch als sie draußen waren, lächelte er versonnen hinter ihnen drein.
16
Ein Auto brachte sie von Bloomsbury zum Restaurant «Monseigneur», wo Norman Gale sie erwartete.
«Nun?», fragte er, nachdem Poirot dem Kellner seine Wünsche genannt hatte.
«Miss Grey hat sich als erstklassige Sekretärin erwiesen.»
«Im Gegenteil», erwiderte Jane. «Er entdeckte, als er hinter mir vorbeischritt, meine sinnlosen Kritzeleien, was auf eine scharfe Beobachtungsgabe schließen lässt.»
«Nicht wahr, Mademoiselle? Ja, ja, der gute Mr Clancy ist nicht so
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