Tod in der Königsburg
Eadulf. »Er ist nicht zu Hause.«
»Weit kann er aber nicht sein, denn das Feuer ist noch nicht heruntergebrannt. Bitte entzünde doch eine Kerze daran.«
Eadulf tat es. Fidelma sah sich genauer um.
»Ich weiß nicht, was du hier zu finden gedenkst«, murrte Eadulf und schielte nervös zur Tür. »Samradán kann jeden Moment zurückkommen. Was dann?«
Fidelma antwortete nicht und ging zur Hintertür. Sie öffnete sie und spähte hinaus. Der Hund lag nach wie vor neben dem Pfosten und winselte im Schlaf. Irgendwas stimmte hier nicht. Normalerweise wurden die Hunde in Muman nachts losgebunden und hatten die Häuser vor Räubern, tierischen wie menschlichen, zu bewachen. Warum schlief dieser Hund?
Ohne auf Eadulfs Protest zu achten, lief Fidelma zu ihm hin und beugte sich nieder.
Eadulf kam ihr nach. Wäre es nach ihm gegangen, sie wären schleunigst von hier verschwunden. In seiner Eile hatte er die Kerze in der Hand behalten.
Fidelma bedeutete ihm, ihr zu leuchten. Der Hund rührte sich nicht, er hatte Schaum vor der Schnauze.
»Der Hund ist betäubt worden.« Fidelma erhob sich so rasch, daß Eadulf zurückprallte. »Warum aber?« fragte sie. Eadulf schwieg, weil er das für eine rhetorische Frage hielt.
Fidelma schaute zu dem dunklen Haus zurück.
Dann eilte sie wieder hinein. Eadulf folgte ihr. Was mochte wohl in sie gefahren sein?
Noch einmal schaute sie sich kurz im Hauptraum um, dann rannte sie die Treppe hoch.
Eadulf zuckte hilflos die Achseln und jagte ihr nach.
Fidelma stand inzwischen in Samradáns Schlafraum und starrte auf sein Bett.
Hinter ihr hob Eadulf die Kerze hoch.
Der Kaufmann Samradán lag quer auf dem Bett ausgestreckt in seinem Blut, ein Messergriff ragte aus seiner Brust. Seine Augen waren offen, doch im Tode erstarrt.
»Zu spät«, murmelte Fidelma. »Jemand hat befürchtet, Samradán könnte uns die Wahrheit enthüllen.«
»Welche Wahrheit?« fragte Eadulf verzweifelt.
Doch Fidelma antwortete nicht. Sie war offenbar mit ihren Gedanken woanders. Sie beugte sich vor und musterte das Messer, aber es unterschied sich in nichts von hundert ähnlichen Messern. Nichts an ihm ließ auf seinen Besitzer schließen, nichts verriet den Mörder.
»Finguine!« folgerte Eadulf. »Er ritt fort, als wir ankamen. Er steht mit Solam und Gionga im Bunde. Mein Gott! Jetzt verstehe ich, warum du so darüber entsetzt warst, daß Finguine Bruder Mochta und das Reliquiar an sich gebracht hat.«
Sie nickte zerstreut. Dann fiel ihr etwas ins Auge. Im Zurücksinken mußte Samradán sich an der Kleidung seines Mörders festgeklammert haben, denn in seinen verkrampften Händen hielt er ein Stück Tuch, das wohl von einem Leinenhemd stammte. Bei soviel Blut mußte auch auf der Kleidung des Mörders welches sein. Sie zog dasTuch aus Samradáns Fingern und merkte, daß etwas daran hing.
Es war eine kleine Silberspange in Form einer Sonne, mit Granatsteinen besetzt, auf jedem der fünf Strahlen der Sonne einer. Sie zeigte sie Eadulf und steckte sie dann rasch in ihren Tragebeutel.
»Sie muß dem Mörder gehören«, stellte Eadulf fest. Es war offenkundig.
»Hast du sie nicht schon mal gesehen?« fragte Fidelma.
»Sie kommt mir bekannt vor«, gab Eadulf zu.
»Sie ist das Kernstück in unserem
tomus
-Spiel«, lächelte sie und begann die Leiche zu untersuchen.
Plötzlich packte Eadulf sie an der Schulter. Sie fuhr zusammen, blickte sich um und wollte schon losschimpfen, als sie sah, daß er den Finger auf den Mund legte. Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Treppe.
Nun hörte sie deutlich, daß jemand im unteren Stockwerk umherging.
Fidelma richtete sich auf. »Mach dich bereit«, flüsterte sie.
Die Schritte kamen die Treppe herauf. Erst tauchte eine Schwertspitze auf, dann ein Kopf. Es war Donndubháin.
Verblüfft starrte sie der junge Thronfolger von Cashel an.
»Was macht ihr denn hier?« fragte er, kam die letzten Stufen herauf und steckte sein Schwert ein. »Ich dachte, ich hätte gehört . . .«
Sein Blick fiel auf Samradáns Leiche, und er stockte.
»Was ist denn hier passiert?«
Fidelma antwortete nicht.
»Und was machst du hier?« fragte sie schließlich.
»Ich ritt gerade vorbei. Es sind so viele Menschen zu der Verhandlung nach Cashel gekommen, da dachte ich, ichsollte lieber die Wachen rundum kontrollieren. Ich war in der hinteren Gasse, als ich hier Licht sah und daß die Hintertür offenstand und sich Gestalten bewegten. Der Hund schien zu schlafen, und ich fragte mich, was
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