Tod in der Marsch
Zwischenzeit das
Weite gesucht hatten, aber nicht mehr entdecken. Am Fahrzeug ist durch
Vandalismus ein immenser Schaden entstanden.«
Mommsen zählte fast genussvoll auf: »Die Antenne wurde
abgebrochen, die elektrischen Außenspiegel abgeknickt, der Spoiler hing nur
noch an der Karosserie, die Seiten sind zerkratzt, die Nummernschilder verbogen
… und so geht es munter weiter.«
»Ei, was gibt es für böse Menschen«, steuerte Große
Jäger seinen Kommentar dazu bei.
»Das ist aber noch nicht alles.« Mommsen hatte sein
Pulver noch nicht verschossen. »Die beiden Beamten aus dem Streifenwagen, die
daraufhin an den Tatort gerufen wurden, stellten fest, dass am BMW zwar erhebliche Beschädigungen
vorgenommen wurden, aber nichts gestohlen wurde. Sie gaben daraufhin sehr
vorsichtig zu bedenken, dass es eventuell Probleme mit der
Teilkaskoversicherung geben könnte, da ja nichts entwendet wurde und nackte
Sachbeschädigung kaum durch die Versicherung gedeckt wäre. Hierüber hat sich
der Fahrzeughalter so ereifert, dass es zu einem heftigen Disput mit den
uniformierten Kollegen gekommen ist, dessen krönender Abschluss eine
Strafanzeige gegen den Fahrzeughalter wegen Beamtenbeleidigung ist.«
»Das wird ja wohl verfolgt werden«, kam es ganz
trocken aus der Ecke des Oberkommissars, »aber ich fürchte, im Falle der
Sachbeschädigung wird die dumme Polizei wieder einmal im Dunkeln tappen, bis
das Verfahren ergebnislos eingestellt wird. Das hat ja auch der allwissende
Herr Kriminalrat aus Flensburg bestätigt, dass die hiesige Kripo besonders dumm
ist. Da hat der Herr mit dem BMW aber ausgesprochenes Pech gehabt.«
Christoph schwieg zu diesem Thema. Auch wenn ihm
manches durchaus verständlich war, konnte er sich nicht immer mit der Denkweise
oder den Aktionen seines Oberkommissars identifizieren.
»Du stammst aus dem Münsterland?«, stellte er mehr
fest, als dass er fragte.
Große Jäger nickte.
»Wir sind hier im Norden. Das Münsterland ist Westen?«
»Hmmmh«, knurrte der Oberkommissar anstelle einer
klaren Antwort.
»Wilder Westen?«
Große Jäger musterte Christoph aus zusammengekniffenen
Augen, schwieg aber.
»Jedenfalls führst du dich manchmal so auf. Und deine
Eltern müssen etwas von deiner Entwicklung geahnt haben. Sonst hätten sie dich
nicht Wilderich getauft …«
Mommsen musste einen anderen Gedanken auf seinen
Kollegen gesponnen haben.
»Wir haben möglicherweise alle drei Probleme mit dem
Restalkohol im Blut. Bei korrekter Betrachtung dürften wir uns jetzt nicht ins
Auto setzen und nach Marschenbüll fahren. Deshalb würde ich vorschlagen, dass Wilderich
das Steuer übernimmt.«
»Warum das denn?«, wollte dieser wissen.
»Ist doch klar«, gab Mommsen umgehend zurück, »du hast
doch im Augenblick keinen Führerschein. Dann kann dir logischerweise auch
keiner abgenommen werden.«
Über diese Bemerkung konnte Große Jäger allerdings
nicht lachen.
*
In Marschenbüll hielt Christoph vor dem roten
Backsteinhaus von Frieder Brehm. Mit einem Seitenblick nahm er wahr, dass der
Platz, auf dem gestern der Kombi des Vertreters gestanden hatte, heute leer
war.
Vor dem Haus standen drei Frauen und steckten die
Köpfe zusammen. Das Bild hatte Ähnlichkeit mit drei Hühnern, die versuchten,
aus einem engen Napf gleichzeitig Körner zu picken. Trotz der kalten Witterung
waren die Frauen nur mit Kitteln bekleidet.
»Sind Sie von der Polizei?«, wollte eine der Frauen im
Vorbeigehen wissen, wurde aber von den drei Beamten ignoriert.
Wie bereits beim ersten Mal öffnete sich beim
Näherkommen die Haustür, und Frau Brehm bat sie ins Haus. Das blasse Gesicht
wirkte noch verhärmter als tags zuvor. Sie hatte rote Augen, ein untrügliches
Anzeichen dafür, dass sie geweint hatte. Mit ihrer leisen Stimme bat sie den
Besuch in das leere Wohnzimmer. Sie bot den Männer Platz an und setzte sich
selbst auf den Sessel, in dem gestern ihr Mann unruhig auf der Vorderkante hin
und her gerutscht war.
Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und wartete auf
die erste Frage.
»Ihr Mann ist nicht im Hause?«, wollte Christoph
wissen.
Sie schüttelte unmerklich den Kopf.
»Ist er auf seiner Tour als Vertreter unterwegs?«
Frau Brehm schwieg.
Christoph ließ ihr etwas Zeit. Dann wiederholte er
seine Frage.
Sie zuckte mit den mageren Schultern, schwieg aber
weiterhin.
»Wie können wir Ihren Mann erreichen? Wir haben noch
eine Frage, die er uns heute beantworten wollte.«
Sie hatte den Blick zum Boden
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