Tod in der Marsch
mein
Lebenspartner.«
Deshalb hatte Mommsen also nie reagiert, wenn ihm, dem
gut aussehenden, sportlichen jungen Mann, die Frauen, unabhängig vom Alter,
hinterherblickten.
Der kleine Mann, den Mommsen als Karlchen vorgestellt
hatte, wischte sich die Hände am Geschirrhandtuch trocken. Mit einem
überraschend festen Händedruck begrüßte er Christoph.
»Sie müssen einmal vorbeikommen. Dann trinken wir eine
schöne Flasche Wein miteinander.«
Dankend nahm Christoph an. Große Jäger war inzwischen
unbemerkt von der kleinen Gesellschaft im Türrahmen erschienen.
»Alles klar?« Das breite Grinsen auf dem unrasierten
Gesicht des Oberkommissars ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er die
Situation sofort erkannt hatte und sich für einen kurzen Moment an Christophs
Verblüffung weidete.
Christoph erklärte Mommsen, dass sie ihn gern
dabeihätten, um dem mysteriösen Anruf der Frau Brehm nachzugehen. Er bedauerte,
ihn noch einmal dienstlich in Anspruch nehmen zu müssen.
Harm Mommsen verschwand durch eine der Türen, die von
dem kleinen Flur abgingen, um sich schnell umzuziehen, und kehrte kurz darauf
zurück. Er fuhr vorsichtig mit der Hand über Karlchens Oberarm.
»Warte nicht auf mich. Es kann spät werden.«
Zu Christoph und Große Jäger gewandt meinte er: »Wollen wir?«
SIEBEN
Sie kamen schnell voran. Nur in der kurzen Zeit des
Hochsommers oder während der Krokusblüte im Husumer Schlosspark gab es wegen
der auswärtigen Besucher ein so hohes Verkehrsaufkommen, dass es zu
geringfügigen Störungen im reibungslosen Verkehr kam. Zu dieser Jahreszeit
hingegen waren die Straßen leer, und nur vereinzelt begegneten ihnen Fahrzeuge.
Der schneidende kalte Ostwind hatte zumindest den Vorteil, dass es trocken war.
Nach kurzer Fahrtzeit erreichten sie den Ortseingang
von Marschenbüll.
Im diffusen Licht der im Wind schaukelnden einsamen
Lampe, die an einem Kabel über der Hauptstraße hing, sahen sie schon von weitem
die kleine Menschenansammlung, die sich vor dem Haus der Familie Brehm
eingefunden hatte. Sie parkten auf dem Seitenstreifen.
Als sie das Fahrzeug verließen, verstummte das
Gespräch der Wartenden. Wie auf Kommando wandten sie sich den drei Polizisten
zu.
Aus der Mitte der Gruppe heraus skandierte eine
Stimme: »Es wird aber auch Zeit, dass Sie das perverse Schwein endlich
verfolgen. Wir wollen unsere Frauen und Kinder geschützt wissen.«
Aus den Mündern der anderen erntete der Sprecher, der
es freilich vorzog, im Hintergrund zu bleiben, Zustimmung.
Christoph suchte im Augenblick jedoch nicht die Konfrontation
mit den Menschen auf der Straße, sondern hatte es eilig, mit Frau Brehm zu
sprechen.
Im Hause waren alle Lichter erloschen. Es schien, als
wären die Bewohner nicht daheim.
Als sie auf das Haus zugingen, sahen sie, dass eines
der Fenster auf der Straßenseite zerbrochen war. Die Gardine flatterte im Wind.
Sie hatten noch nicht ganz die Haustür erreicht, als
sie hörten, wie der Schlüssel im Schloss bewegt wurde. Dann öffnete sich die
Tür einen kleinen Spalt. »Gott sei Dank, dass Sie so schnell gekommen sind«,
flüsterte Frau Brehm aus dem Halbdunkel, während vom Gartenzaun weitere
Schmähungen vom Wind herübergetragen wurden.
Sie führte die drei Beamten durch den hinteren Teil
des Hauses in eine kleine, mit Versandhausmöbeln eingerichtete Küche, die zur
Gartenseite hinausging.
Frau Brehm zitterte am ganzen Körper. Sie nahm ihre
beiden verstört schauenden Kinder schützend in den Arm und berichtete, dass sie
sich seit dem ersten Besuch der Polizei und dem Verschwinden ihres Mannes kaum
mehr auf die Straße getraut hätte.
»Im Haus fühlte ich mich einigermaßen sicher«,
erzählte sie. »Bis vorhin. Da kam in den Nachrichten das über die
Pressekonferenz.«
Sie weinte stumm.
Christoph sah seine beiden Kollegen an. Das war also
das Resultat der falschen Information, die Kriminalrat Dr. Starke auf der
Pressekonferenz verbreitet hatte.
»Zuerst«, so berichtete Frau Brehm stockend weiter,
»waren ja nur einige wenige Leute vor dem Gartenzaun stehen geblieben und
sprachen miteinander. Plötzlich gab es einen Knall, und das Fenster des
Wohnzimmers zur Straße war zerbrochen. Auf dem Teppich habe ich einen Stein
gefunden. Ich habe daraufhin alle Lampen ausgemacht und mich mit den weinenden,
verängstigten Kindern in den rückwärtigen Teil des Hauses zurückgezogen.«
»Und jetzt haben Sie Angst?«, fragte Christoph.
Sie sah ihn aus rot umränderten Augen
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