Tod in der Marsch
an.
»Ja! Ich habe fürchterliche Angst. Es hat zwar noch
niemand das Grundstück betreten, aber wer weiß, was in der kommenden Nacht noch
alles passieren kann.«
Große Jäger versuchte der Frau Mut zuzusprechen. Er
fühlte sich offenbar selbst nicht wohl, als er die Gemeinplätze vom bellenden
Hund, der nicht beißt, und von der Suppe, die nie so heiß gegessen wird, wie
sie gekocht wurde, anbrachte.
»Haben Sie die Möglichkeit, für eine Nacht woanders
unterzukommen?«, fragte Christoph.
Die Frau schüttelte den Kopf und strich dabei ihren
Kindern über die Haare.
»Nein, wir sind Geächtete. Es gibt keine Freunde für
uns.«
»Und wenn Sie ein Hotel aufsuchen?«
Sie schüttelte erneut den Kopf.
»Reichtümer haben wir nie erworben. Mein Mann hat bis
auf ein wenig Haushaltsgeld, das ich in meinem Portemonnaie hatte, unser
Bargeld mitgenommen. Hinzu kommt, dass er durch die ganze Entwicklung der
letzten Zeit auch wenig Umsatz machen konnte. Wir können es uns einfach nicht
leisten.«
Sie schob jetzt trotzig die Unterlippe hervor.
»Außerdem möchte ich unser Haus nicht über Nacht
allein lassen. Wer weiß, wozu diese Leute da draußen fähig sind.«
»Frau Brehm, wir suchen Ihren Mann. Wir möchten mit ihm
sprechen. Was Sie vorhin im Radio gehört haben, war die übertriebene
Darstellung der Presse. Für uns gilt Ihr Ehemann so lange als unschuldig, bis
wir ihn eindeutig der Tat überführen können.« Christoph hatte leise gesprochen.
»Können Sie uns sagen, wo wir Ihren Mann erreichen können? Wir könnten dann
viele offene Fragen klären.«
Frau Brehm liefen einige Tränen die Wangen hinab.
»Ich weiß es selbst nicht. Ich habe ihn, wenn er
anrief, gebeten, zurückzukommen. Die Kinder vermissen ihn. Wir brauchen ihn hier.«
Nach einer Weile setzte sie hinzu: »Ich auch!«
Christoph konnte sie zumindest dazu bewegen, dass sie
sich umgehend melden wollte, wenn ihr Mann wieder Kontakt zu seiner Familie
aufnahm. Ferner versicherte sie ihm, sofort Nachricht zu geben, sollte die angespannte
Lage zwischen den Dorfbewohnern und ihrer Familie eskalieren.
Als die drei Beamten das Haus verließen, hatte sich
die kleine Menschenansammlung aufgelöst.
Die Gardine flatterte immer noch unruhig hinter dem
zerbrochenen Fenster. Frau Brehm hatte versichert, Hilfe sei nicht vonnöten.
Sie würde das Fenster für die Nacht mit einer Pappe abdecken.
Die drei machten sich auf den Weg zu von Dirschau. Als
sie jedoch in der Ortsmitte am Gasthaus vorbeikamen, sahen sie schon von weitem
die Menschentraube, die diskutierend davor stand. Christoph parkte das
Fahrzeug, und sie zwängten sich durch die neugierig blickenden Dorfbewohner in
die Gaststube.
Es hatte den Anschein, als habe sich die Mehrzahl der
Einwohner Marschenbülls hier versammelt, und durch die rauchgeschwängerte Luft
drang ein heilloses Stimmengewirr. Unter die überwiegend männlichen Besucher
hatten sich auch vereinzelt Frauen gemischt.
Den Wortfetzen zufolge, die sie auf ihrem Weg zum
Tresen aufschnappten, drehten sich die aufgeregten Gespräche nur um ein Thema: den Doppelmord und die, nach Auffassung der hier Anwesenden, gesicherte
Erkenntnis, dass Frieder Brehm der Täter sei.
Das vermeintlich gesunde Volksempfinden ließ lautstark
dem Unmut freien Lauf und sparte nicht mit Empfehlungen, wie man mit einem
solchen Untier zu verfahren hätte.
Am Tresen sahen sie Bürgermeister Römelt stehen.
Weitere Leute hatten sich um ihn herumgeschart.
Er hielt ein halb gefülltes Bierglas in der einen und
beschrieb mit der anderen Hand, die eine qualmende Zigarre hielt, einen großen
Halbkreis.
»… können wir es nicht dulden, unsere Frauen und
Kinder einer solchen Gefahr auszusetzen. Deshalb bin ich …« In diesem
Augenblick gewahrte er die drei Polizisten, die sich einen Weg durch die Menge
bahnten.
Er wirkte fast ein wenig erschrocken, als er Christoph
in die Augen sah. Aus seiner Mimik sprang förmlich das schlechte Gewissen.
»Was können Sie nicht dulden?« Christoph stand jetzt
in den Reihen der Leute, die den Halbkreis bildeten.
Für einen kurzen Moment war Römelt verunsichert. Dann
dröhnte seine gewaltige Stimme über die Köpfe hinweg, sodass ihm auch die
Aufmerksamkeit der weiter entfernt Stehenden sicher war. »Wir haben Recht, wenn
wir unsere Frauen und Kinder nicht einem solchen Tier aussetzen wollen.« Der
Chor der Anwesenden stimmte sofort lautstark zu. »Wir erwarten, dass die
Polizei alles daransetzt, uns von solchen Unmenschen
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