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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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verloren gegangen, oder es hatte nicht geklappt, es zu schicken. Die Nummer des Handys war verborgen, da sich die betreffende Person nicht zu erkennen geben wollte, und das war kein bisschen ungewöhnlich. Natürlich hatte die Polizei ihre Routinen, um die Identität eines Informanten zu schützen, wenn man anonym bleiben wollte.
    Er las den Text noch ein paarmal. Wenn der Inhalt etwas hergab, dann entdeckte er das in der Regel sofort, war er unsicher, dann las er den Hinweis noch ein paarmal durch, vielleicht nach einer Tasse Kaffee oder einer anders gearteten Pause. War er dann immer noch zögerlich, wollte die Informationen aber nicht einfach als wertlos abschreiben, was viele in der Tat waren, dann bat er einen seiner Kollegen, noch mal drüberzuschauen. Man konnte die Dinge völlig unterschiedlich interpretieren, und zwar erstaunlich unterschiedlich, dachte Lerde, und die Gedanken wanderten wieder zu seiner Ex. Ihm war klar geworden, dass sie beide so unterschiedlich dachten, dass sie von völlig verschiedenen Planeten zu kommen schienen. Ihm war es gut gegangen, während sie das Gefühl hatte, die Beziehung würde nicht bestehen können.
    In der letzten Zeit waren die Hinweise zu der verschwundenen Tina Rosenkvist nicht gerade zahlreich reingekommen, vielmehr war es eher schlecht um neue Informationen bestellt gewesen.
    Er erinnerte sich noch genau an den Nachmittag, als Pär Rosenkvist bei der Polizei erschienen war. Es war ein Freitag gegen fünfzehn Uhr gewesen, als er in der Absicht kam, seine Ehefrau vermisst zu melden. Und Lerde musste sich mit dem armen Mann beschäftigen.
    Arm oder nicht, dachte Lerde und las noch einmal den Hinweis. Die Frau hatte klar und deutlich gesprochen, hatte die Kollegin an der Zentrale geschrieben. Im Hintergrund hatte man Wasser gluckern hören. Die Anruferin sagte, sie würde vom Hafen in Kalmar anrufen, was die Bilder, die Lerde leider nicht vorliegen hatte, bestätigten. Pär Rosenkvist war in einem weißen Peugeot, Modell unbekannt, davongefahren. Auch davon fehlten wieder die Bilder. Doch das war eine Kleinigkeit, da die Anruferin sich das Kennzeichen gemerkt hatte.
    Lerde tippte die Nummer ins Register. Es stimmte, ein sechs Jahre altes, weißes Auto größeren Modells. Kein Kombi, sondern ein Nachfolgemodell. Das war nicht dasselbe Fahrzeug, das die Techniker vor einem Jahr, als die Ehefrau verschwunden war, bis ins kleinste Detail untersucht hatten. Offensichtlich hatte er den Volvo ausgetauscht, beide Autos waren auf Pär Rosenkvist angemeldet.
    Als Rosenkvist vor einem Jahr ihm gegenübergesessen hatte, hatte er mehr Angst als Sorge ausgestrahlt, dachte Lerde jetzt. Vermutlich war ihm klar gewesen, dass die Polizei in solchen Fällen gern den engeren Umkreis des Opfers verdächtigte und sogar die anständige Person, die selbst die Vermisstenmeldung aufgab. Die Statistik sprach hier eine deutliche Sprache. Dass Rosenkvist das Verbrechen anzeigte, machte ihn also keineswegs weniger verdächtig.
    Jemanden zu töten konnte das Werk eines Augenblicks sein, so lautete die feststehende Ausgangsbetrachtung aller Polizisten. Gereizte Gefühle und ungleiche Kräfteverhältnisse. Sie stirbt, und das ist meistens nicht gewollt. Ein Schlag oder ein Tritt zu viel. Dem Täter, wenn es nun ein Mann war, blieben dann zwei Möglichkeiten: sich selbst bei der Polizei anzuzeigen oder die Leiche wegzuschaffen. Die meisten wählten die zweite Möglichkeit. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die Hoffnung, unentdeckt zu bleiben.
    Plötzlich fiel ein Schatten über Lerdes Gesicht, und er lehnte sich zurück, um tief Luft zu holen. Ein anderer Fall, mit dem sie vor einem halben Jahr befasst waren, drängte sich unerbittlich vor. Misshandlung mit tödlichem Ausgang. Das Opfer ein Kind. Ein vierjähriger Junge. Die Bilder aus der Gerichtsmedizin flimmerten vorüber. Die runden Wangen des Jungen und der blonde Haarschopf. Er hatte die Haut des Vaters unter den Nägeln, er hatte versucht zu fliehen, hatte den Vater im Gesicht gekratzt, hatte um sein Leben gekämpft.
    Lerde schob den Stuhl zurück und holte sich einen Kaffee. Wie lange würde dieser kleine Junge noch in ihm leben? Dieses Phänomen hatte einen Namen, das wusste er: sekundäre Traumatisierung. Der Helfer, dem es schlecht ging. Aber was half das schon?
    Die Psychologen sagten, dass diese Angriffe auf die Psyche klassischerweise die Grenzen für einen selbst auslöschen konnten. Lerde hatte das Visier heruntergeklappt und sich verteidigt

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