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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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Lebenswandel mit verschiedenen Damen unmissverständlich klargemacht. Doch manchmal redeten Mona und er darüber, ob das, was einige ihrer Altersgenossen schon hatten, auch für sie möglich wäre.
    »Lasse arbeitet heute Abend«, sagte Mona.
    »Hat er angerufen?«
    »Ja, während du draußen warst und Holz geholt hast.«
    »Hast du ihn von mir gegrüßt?«
    »Aber natürlich!«
    Der Sohn würde viel zu tun haben heute Abend, dachte Janne. Prügeleien unter Betrunkenen, Trunkenheit am Steuer und möglicherweise Fälle von Ertrinken. Lasse war in seines Vaters Fußstapfen getreten und Polizist geworden, und kürzlich hatte er seine erste Stelle in Kalmar angetreten, wo er derzeit Streife fuhr. Er blieb in Småland und hielt sich an seine Scholle, er war kein echter Abenteurer, und Mona fand das gut, entspannt und schön. Janne hingegen fragte sich manchmal, warum der Sohn nicht die Gelegenheit zu ein paar abenteuerlichen Ausflügen ins Leben nutzte.
    Wenn jemand Janne fragte, wie es sich anfühlte, dass der Sohn denselben Beruf ergriffen hatte, dann antwortete er immer mit einem schiefen Lächeln und sagte, er wisse nicht, ob das gut oder schlecht sei. Eine ausweichende und gleichzeitig diplomatische Antwort, die er sich ausgedacht hatte, um weder angeberisch noch selbstzufrieden zu wirken.
    Doch in Wirklichkeit war er ganz einfach stolz wie ein Spanier. Seine eigene Wahl, der Beruf des Polizisten, die einen großen Teil seiner eigenen Identität ausmachte, hatte durch Lasse eine klare Anerkennung erfahren. Er konnte während Lasses Kindheit wohl nicht allzu viel zu Hause geklagt haben, denn dann wäre der Sohn abgeschreckt gewesen. Es war immer sinnvoll, Polizist zu sein, aber es war auch nicht unkompliziert, und genau das schätzte er an dem Beruf.
    Mona wischte sich die Hände an der Schürze ab und holte den Tortenboden aus dem Ofen.
    »Was meinst du, ob der fertig ist?«
    Janne warf einen raschen Blick auf das goldgelbe Backwerk.
    »Sieht gut aus«, meinte er. »Aber ich habe keine Ahnung, wie man wissen kann, ob er innen drin auch fertig ist.«
    »Aber ich«, beruhigte Mona ihn.
    Janne zog es zu seinen Wurzeln zurück. Bekanntermaßen trug man als alter Mensch ja alle Lebensalter in sich, und er hatte sich nun immer mehr Raum für seine Kinder- und Jugendjahre erobert. Er betrieb zwar keine Ahnenforschung, hatte aber doch nicht weniger als zwei Abendkurse besucht: einen über Technik und Geschichte der Glasherstellung und einen über seinen alten Heimatort. Er war äußerst aktives Mitglied des Heimatvereins, man traf sich ein paarmal jährlich, und da versuchte er immer dabei zu sein. Außerdem hatte er sich das Glasmuseum in Växjö angesehen und noch mehr Lesestoff mitgebracht.
    Alles hatte mit einem zerschlissenen, alten Paar Holzschuhe angefangen, die er im Holzschuppen gefunden hatte – es war doch verwunderlich, dass keiner der früheren Hausbesitzer die weggeworfen hatte. Da kam die Kindheit direkt auf ihn zumarschiert, die Väter der Klassenkameraden, die zu der Glashütte die Straße hinunterklapperten, zu den Glasöfen, die ständig befeuert werden mussten. Zur Hitze, den Hammerschlägen und den Arbeitsgruppen, und zu dieser merkwürdigen glühenden Glasmasse, aus der man so viele verschiedene Dinge machen konnte. Prismen für Kronleuchter, Haushaltsgläser, Bierflaschen, Service, schicke Weingläser, runde Nippesgegenstände, riesenhafte Kunstwerke.
    Das war der Moment, in dem er anfing, etwas systematischer dort zu suchen, wo er gerade stand. Und damit war er noch lange nicht fertig.
    Er musste feststellen, dass er einen Hang zur Industrieromantik hatte. Alte verfallene Gebäude mit hohen Schornsteinen faszinierten ihn, wie ihn auch die Entwicklung der Hüttenorte interessierte, die aus dem Nichts zu lebendigen Organismen geworden waren. Das waren kleine Gemeinden gewesen mit klaren Strukturen und einem Hüttenverwalter, der alles im Guten und im Schlechten bestimmte, und mit den handwerklich so geschickten Arbeitern, die später dann höhere Löhne und bessere Arbeits- und Lebensbedingungen für sich und ihre Familien forderten. Hunger, Armut, Krankheiten, Not und Leibeigenschaft dem Verwalter gegenüber, so war das. Aber auch Arbeit, die Lohn und Brot und eine starke Gemeinschaft brachte. Es wurden Wohnungen und Schulen gebaut, die Volksbewegung fasste Fuß. Die Kooperativen kamen in die Dörfer, die Anti-Alkohol-Bewegung breitete sich mit immer mehr Logen aus, dazu die Guttempler mit der IOGT .

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