Tod in der Walpurgisnacht
Leuten, im Grunde vor dem ganzen Dorf.«
Ein armer Typ, der im Leben nie im Mittelpunkt gestanden hatte und nie gesehen wurde, dachte Claesson. Aber es könnte natürlich auch viel einfacher sein. Jemand hatte einen Menschen ermordet und musste jetzt die Leiche loswerden. Vielleicht waren die Beweggründe eher praktischer Art und weniger emotional. Der Scheiterhaufen kam einfach zupass.
Er dachte auch noch viele andere Dinge, in seinem Kopf arbeitete es, ob er wollte oder nicht. Mögliche Szenarien tauchten vor seinem inneren Auge auf, einige davon verschwanden gleich wieder. Übereilte Schlüsse waren ebenso sinnlos wie mit Scheuklappen eine einzige Richtung zu verfolgen.
Wenn der Gerichtsmediziner hier auf Selbstmord entschied, dann würden sie schnell fertig sein, und das war natürlich ein angenehmer Gedanke. Dann würden sie keine Zeit und Energie auf Hjortfors verwenden müssen, sondern könnten ihre Sachen packen und nach Hause fahren.
»Es ist eben gar nicht so supereinfach, eine Leiche loszuwerden«, hörte Claesson jemanden von den Schaulustigen mit lauter und lallender Stimme sagen.
Claesson versuchte zu erkennen, wer sich da geäußert hatte. Er näherte sich einem Mann, der schon ziemlich wacklig auf den Beinen war.
»Wer sind Sie?«, fragte er.
»Au verdammt. Wird man jetzt verdächtigt?«, sagte der junge Mann angeheitert und angelte schließlich einen Führerschein aus seiner Hosentasche. »Ich hab das nicht so gemeint, schließlich sieht man sowas ständig im Fernsehen und so …«
Er verstummte. Claesson nahm seine Daten auf.
Wer einen Toten im See versenkte, lief Gefahr, dass der Körper wieder nach oben geschwemmt wurde. Eine ansonsten nicht ungewöhnliche Alternative war, die Leiche zu zerstückeln, um die Teile unbemerkt in Taschen oder Plastiktüten zu transportieren und dann an einem versteckten Ort vergraben zu können. Doch dann konnte eines schönen Tages eine neugierige Hundenase die Überreste erschnüffeln, ganz gleich, in wie viele Plastiktüten man sie eingewickelt hatte.
Claesson musste an Tina Rosenkvist denken. Wo war sie bloß? War sie vergraben worden? Er konnte sich vorstellen, dass ihr Ehemann sie ganz frech auf den Beifahrersitz des Autos gesetzt hatte, ehe die Leichenstarre eingetreten war. Vielleicht hatte er sogar den Gurt angelegt, um sie an Ort und Stelle zu halten. Pär Rosenkvist hatte einige Stunden Zeit gehabt, während die Nachbarn immer noch schliefen. Niemand hatte etwas gesehen oder gehört. Oder hatten alle beschlossen zu schweigen?
Könnte sie es sein, die hier lag? Die mitten in das Maifeuer im Flecken Hjortsjö geraten war? Er starrte auf das schwarz verkohlte Bündel, das man im Schein der Lampen erkennen konnte, die die Techniker aufgestellt hatten.
Jetzt stand er wieder bei Lundin.
»Ein wenig intelligenter Mensch könnte vielleicht die Hoffnung gehegt haben, dass die Leiche unbemerkt mit all dem anderen Kram verbrennt«, spekulierte Lundin.
»Genau! Lass den Menschen in der Hölle schmoren!«, war Claessons Kommentar, woraufhin Lundin ihn angrinste. »Wie steht es eigentlich um die Bibelfestigkeit im Dorf hier, weißt du das? Jede Menge Freimauschler?«, fragte Claesson.
»Ich weiß nicht, wie das heute ist«, meinte Lundin, »aber Bethania hatte hier früher eine Kapelle, und die steht auch immer noch, ein hübscher, kleiner Holzbau, der vielleicht mal ein Sommerhaus abgeben wird, denn es wirkt ziemlich unbenutzt. Ansonsten glaube ich, dass es hier eher wenig Freikirchen gab. Deren Aktivitäten haben sich mehr im Nachbarort Flohult abgespielt, da gibt es immer noch einen Königsreichssaal, ziemlich triste Bude in Pseudoterrakotta. Da spielt sich noch etwas ab, bei Jehovas Zeugen. Und dann gibt es hier natürlich die übliche Gemeinde, die Staatskirche, obwohl die jetzt ja Schwedische Kirche heißt. Die Kirche selbst ist hübsch und strahlt schon von weitem schön weiß, aber wie viele Seelen sich regelmäßig dorthin begeben, weiß ich nicht. Denke nicht, dass die noch einen eigenen Pfarrer haben, wahrscheinlich teilen sie sich den Seelsorger mit Högsby, der dann manchmal hierhergereist kommt. Aber das kriegen wir raus.«
»Lass sie brennen in Gehenna!« Hieß es nicht so in der Bibel? In der Hölle brennen!
Er erinnerte sich vage, dass Gehenna ein Ort war, an dem lebendige Säuglinge geopfert wurden und dergleichen. Ewige Feuer, die irgendwo in der Gegend, wo die biblische Erzählung ihren Anfang genommen hatte, brennen sollten.
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