Tod in der Walpurgisnacht
kündigte Lundin an.
»Okay«, antwortete er blass.
»Ich werde jetzt mal nach Hause zu Mona fahren und mit ihr darüber nachdenken, ob wir im Umkreis der Häuser am Sodavägen irgendetwas Besonderes gesehen haben«, verkündete Lundin draußen vor seinem weißen Opel Astra.
Die Luft war kühler, die Schatten länger. Die Nacht würde vermutlich sternenklar und kühl werden.
»Frag sie doch mal, ob sie Motorengeräusche aus Richtung der Allmende gehört hat. Einen Lastwagen oder so«, grinste Claesson.
Der Streifenwagen rollte langsam auf sie zu. Am Steuer saß Jessika Granlund, eine robuste Polizistin aus Nybro, die Lena Jönsson und Patrik Johansson abgelöst hatte.
Claesson sprang in den Wagen. Er drehte sich um, um zu kontrollieren, ob Lundins Auto hinter der Ecke verschwunden war.
»Könntest du am Gemeindehaus vorbeifahren?«, bat er Jessika.
»Okay!«, sagte sie, während das Auto langsam auf die Straße hinausfuhr. »Wo liegt das?«
»Hinten bei der Kirche, ich zeig es dir.«
»Okay«, sagte sie wieder.
»Ich muss die Krisengruppe über etwas informieren.«
Warum zum Teufel musste er sich rechtfertigen?, fragte er sich und biss sich auf die Zunge.
Kapitel 33
Hilda, Freitag, den 25. März 2011
H ilda sah nach draußen zum Himmel. Es war kurz nach zehn Uhr, der Himmel war grau, so dass das Sonnenlicht kaum durchdrang. Außerdem lag eine dünne Schicht Sand auf dem Busfenster. Der Blick wanderte über eine wechselhafte Landschaft in Braun und Grau mit Flecken schmutzigen Schnees an den Stellen, wo die Sonne sich durchgesetzt hatte. Bald war April.
Sie zog den Mantel enger um sich. Der Bus fuhr durch Påskallavik und dann auf der E 22 weiter nach Süden Richtung Kalmar.
Sie saß in Gedanken versunken, denn etwas anderes konnte sie nicht tun; sowie sie im Bus zu lesen versuchte, wurde ihr übel. Also saß sie aufrecht da und sah geradeaus, um die Übelkeit in Schach zu halten. Der MP 3-Spieler lag zu Hause, natürlich war sie viel zu spät dran gewesen und in der letzten Minute in den Bus gesprungen. Bestimmt lag das daran, dass sie so nahe am Busbahnhof wohnte, da ging man immer zu spät los.
Jetzt hatte sie fast eineinhalb Stunden, um hier zu sitzen, zu dösen und zu träumen. Der Bus hielt oft, es war nicht die schnelle Verbindung nach Kalmar, die sie erwischt hatte. »Überlandverkehr« stand auf dem Fahrplan. Schon das Wort ließ sie entspannen.
Im Krankenhaus hatte sie so gut wie keine Zeit zum Nachdenken. Da war immer etwas los, und das war auch gut so. Spät am Abend, am Küchentisch, kamen die Gedanken und die Träume. Während sie etwas steckte, mit der Schere in den Stoff fuhr oder das Pedal der Nähmaschine betätigte, durften die Gedanken hin und her wandern.
Jetzt eilten sie zu dem Zettel, der auf ihre Fußmatte gefallen war.
»Ich weiß, wer du bist!«
Kein Umschlag, keine Briefmarke, keine Anschrift. Und dann diese Botschaft: »Ich weiß, wer du bist!«
Musste sie Angst haben? War das eine Drohung oder ein freundschaftlich gemeinter Kontakt? Musste sie etwas unternehmen?
Sie hatte außerdem zwei Anrufe auf dem Handy bekommen, die sie nicht identifizieren konnte. Hatte das etwas mit dem Zettel zu tun? Wurde sie verfolgt? Oder wollte ihr nur jemand was verkaufen?
Was sollte sie tun?
Der erste Impuls war, jemanden bei der Arbeit um Rat zu bitten, mit Veronika oder Fresia oder vielleicht auch mit Daniel Skotte zu sprechen. Oder einen Freund in Lund anzurufen, vielleicht sogar Fredric Lido, der ihr in dieser Situation plötzlich vertraut vorkam.
Aber das ging nicht. Sie hatte so lange nichts von sich hören lassen, warum sollte sie ihn auf einmal anrufen?
Und die Leute von der Arbeit wollte sie nicht hineinziehen. Sie konnte sich schon vorstellen, wie Daniel Skotte eine ernste Miene auflegen, sich über die Lippen lecken und so väterlich und bestimmend sein würde, dass es kaum auszuhalten war. Wahrscheinlich würde sie ihn lächerlich finden.
Jens vielleicht? Sie verzog den Mund. Sie waren sich wieder im Treppenhaus begegnet. Er hatte sie gefragt, ob sie nicht mal ein Bier zusammen trinken könnten. Dazu hatte sie auch Lust, aber sie hatten dann keinen Termin finden können. Entweder hatte er Nachtschicht oder sie.
Sie lächelte im Bus vor sich hin. Es war natürlich völlig abwegig, ihm von der Sache zu erzählen. Und da tauchte ein unbehaglicher Gedanke auf. War er es vielleicht, der …?
Nein, das konnte nicht sein. Warum in aller Welt sollte er Zettel in ihren
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