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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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kann nichts anfangen mit Leuten, die mir die Zeit stehlen.«
    »Kann ich hier parken?«
    »Sehr gut, sehr gut. Der Mann glaubt wohl, ich sei von gestern.«
    Der Maresciallo parkte seinen Wagen.
    Die Woge von Wärme und appetitlichen Bratendüften, die ihnen entgegenschlug, als sie die Glastür aufstießen, war so einladend und tröstlich wie am Tag zuvor, aber der Maresciallo hatte den Eindruck, daß die Gespräche in dem großen Speisesaal lauter und hitziger klangen als gestern. Ob das nun stimmte oder nicht, eindeutig wurden bei Niccolinis erstem lautem: »Hallo, wie geht’s?« die Gespräche plötzlich leiser und ebbten dann in Sekundenschnelle ab, während sein Gruß unerwidert blieb. In einem Farbfernseher am Ende des Saales liefen die Mittagsnachrichten. Der Maresciallo hatte das Gerät bei seinem ersten Besuch nicht bemerkt, obwohl es wahrscheinlich jeden Tag an war, aber jetzt war die Stimme des Ansagers deutlich hörbar über dem Klappern von Besteck und dem Knistern des Küchenfeuers.
    Tozzi kam zwischen den Tischreihen mit den karierten Tischtüchern auf sie zugeeilt, auf dem Gesicht ein besorgtes Lächeln.
    »In einer Minute wird nebenan ein Tisch frei, wenn Sie …«
    »Machen Sie keine Umstände«, unterbrach Niccolini, »wir sitzen ganz gut hier an meinem üblichen Tisch.« Und er setzte sich mit Blick auf den Fernseher.
    Der Maresciallo nahm ihm gegenüber Platz und fühlte sämtliche Augenpaare in dem großen Raum auf sich gerichtet. Tozzi ging und kam nicht wieder. Ein kleiner Junge in einer weißen Schürze, die viel zu groß für ihn war, nahm ihre Bestellung auf, und nach und nach kamen die Gespräche um sie herum wieder in Gang, wenn auch gedämpft. Der Nachrichtensprecher war immer noch zu hören, und der Maresciallo drehte sich um und stierte auf die Szenen eines fernen Krieges, ohne den Zusammenhängen zu folgen. Als ihr Essen kam, vertilgte Niccolini zwar mit Appetit und Begeisterung einen Teller Spaghetti, aber Guarnaccia wußte, daß er unglücklich war. Es mußte das erste Mal sein, daß er hier hereinkam und nicht so gut wie jeder ihn freundlich begrüßte. Und der Maresciallo hätte wetten mögen, es war auch das erste Mal, daß er nicht direkt in die Küche marschierte, die Deckel der großen Töpfe und Pfannen hochhob, um zu sehen, was für leckere Sachen dort kochten, und sich dann am Feuer wärmte, während er mit allen rundum plauderte. Die eigene Verärgerung wich einem Gefühl der Bekümmerung für diesen sonst so fröhlichen Riesen von einem Mann, der sich ganz plötzlich einer Situation gegenübersah, mit der er nicht fertig wurde. Da er selbst aus einem winzigen Ort auf Sizilien stammte, war der Maresciallo durchaus vertraut mit solch mürrischem Schweigen, das meist gar nicht oder kaum auf persönlicher Abneigung beruhte und bald vergessen war, als sei nie etwas gewesen. Aber Niccolini war ein Stadtmensch, ein Römer, der wahrscheinlich sein ganzes Leben noch nie solch vereinter Feindseligkeit begegnet war, wobei sein überschwengliches und geselliges Wesen dazu beitrug, es ihm noch schwerer zu machen. Zu allem hätte er wahrscheinlich viel lieber wenigstens einen seiner eigenen Leute bei sich gehabt, den jungen Brigadiere zum Beispiel, den er erwähnt hatte und mit dem er normalerweise zum Essen ging, statt diesen Wildfremden, den man ihm da aufgebürdet hatte.
    Der Maresciallo beobachtete ihn mitfühlend, aber Niccolini wich seinem Blick aus. Er summte angelegentlich vor sich hin und studierte intensiv die Speisekarte, als hätte er noch nie hier gesessen und wüßte die täglichen Speisen nicht auswendig. Am besten wäre es jetzt, etwas zu sagen, ein Gespräch anzufangen, das wenigstens die Stille an ihrem Tisch ausfüllte, aber sosehr er sich auch bemühte, dem Maresciallo fiel nichts ein. Die Ankunft ihres zweiten Ganges war eine willkommene Ablenkung, aber es wäre so viel besser gewesen, wenn Tozzi sie selbst bedient und ein paar Sätze mit ihnen gewechselt hätte. Er hatte keine große Hoffnung, diesen vierzehnjährigen Jungen mit den dünnen roten Händen und der riesigen Schürze in ein Gespräch verwickeln zu können, dem er gerade ein gemurmeltes »Danke« entlocken konnte.
    Dann kam eine Gruppe von Morettis Arbeitern herein, und wieder sank der Geräuschpegel merklich. Sie setzten sich an den einzigen freien Tisch unmittelbar neben der Tür, so daß Niccolini sie nicht im Blickfeld hatte. Dennoch fiel ihm die veränderte Atmosphäre auf, und er folgte dem Blick

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