Tod in Florenz
des Maresciallo.
»Wer ist das?«
»Morettis Leute.«
»Hat jemand mit ihnen gesprochen?«
»Zuerst nicht, aber einer von ihnen hat sich umgedreht und redet mit einem am Nebentisch. Es sieht allerdings eher nach Streit aus …«
»Können Sie hören, was sie sagen?«
»Nein.« Die allgemeine Unterhaltung hatte wieder eingesetzt, und bei dem laufenden Fernseher und den Küchengeräuschen war es unmöglich, aus dieser Entfernung auch nur ein Wort zu verstehen.
»Moretti ist nicht dabei«, fügte Guarnaccia hinzu.
»Ist er nie. Er und sein Bruder essen zu Hause, außer wenn Moretti einen Kunden mitbringt. Streiten sie immer noch?«
»Ja. Es ist einer von den Drehern. Seinen Namen weiß ich nicht …«
Inzwischen hatte der Mann sehr wohl gemerkt, daß der Maresciallo ihn beobachtete, und hob absichtlich die Stimme, damit man ihn hörte, obwohl er immer noch mit demselben Mann am Nebentisch sprach.
Der Maresciallo bekam die Bemerkung aber trotzdem nicht mit; er konnte nur das Wort »Ausländerin« hören, das deutlich abschätzig ausgesprochen wurde. Den Zusammenhang erriet er dennoch ganz gut: daß ihrer aller Leben von einer Ausländerin gestört wurde, die sich hatte umbringen lassen, jemand, der nichts mit ihnen zu tun hatte und deshalb nicht zählte. Es paßte genau zu der allgemeinen Haltung gegenüber Außenstehenden.
»Probieren Sie diesen Spinat hier«, sagte Niccolini plötzlich und reichte einen vollbeladenen Löffel herüber.
Der Maresciallo öffnete den Mund und wollte entgegnen, daß er kein allzu großer Freund von Spinat sei, merkte aber gerade noch rechtzeitig, daß ein Löffel voll mit bitterem Grünzeug mehr wert war, als es auf den ersten Blick aussah, wenn Niccolini ihn damit köderte.
»Danke.«
Ein Wagen mit einer riesigen Schüssel tagliatelli darauf rollte am Maresciallo vorbei und hielt. Tozzi stand da und blickte auf sie herunter.
»Alles zu Ihrer Zufriedenheit, Signori?«
»Sehr gut, sehr gut«, antwortete Niccolini.
»Schlimme Sache mit dem Mädchen.«
»Stimmt«, sagte Niccolini, »schlimme Sache.«
»Schlimm für alle. In einer so kleinen Stadt … Sie dürfen es nicht übelnehmen, wenn die Jungs ein bißchen aufsässig sind …«
»Ach nein?«
»Ich meine, es besteht kein Grund, das persönlich zu nehmen. Die Leute hier halten eben gern zusammen und begraben den alten Zwist, wenn es Ärger von …«
»Von außen gibt?«
»Sie verstehen, wie das ist.«
»Ich fange langsam an.«
»Im Krieg war es genauso.«
»Dies ist kein Krieg. Ein unschuldiges Mädchen ist brutal ermordet worden, und keinen Menschen in dieser Stadt kümmert das einen Dreck, soweit ich sehe!«
»Das ist nicht unbedingt richtig. Niemand will Scherereien, das ist alles,«
»Also die haben sie. Und mehr noch, sie werden sie so lange haben, bis ich diesen Mörder hinter Schloß und Riegel gebracht habe. Wenn Sie wollen, können Sie ihnen das von mir bestellen, denn ich gehe davon aus, daß jeder von Morettis Leuten weiß, wer das Mädchen umgebracht hat, so sicher wie er weiß, daß er diese Spaghetti essen wird – und vielleicht sollten Sie ihnen die servieren, bevor sie kalt werden.«
»Hören Sie, wenn meine Bemerkungen unpassend waren, tut es mir leid. Es ist nur, daß ich diese Männer kenne, und Sie sind einfach noch nicht lange genug hier, um das alles zu verstehen … Kurz, ich wollte nur helfen.«
»Wenn Sie helfen wollen, dann geben Sie weiter, was ich eben gesagt habe … und vielleicht bringen Sie uns einen Nachtisch. Wir sind nämlich fertig.«
»Ich schicke den Jungen.«
Als Tozzi seinen Servierwagen zu Morettis Leuten rollte, traf Niccolinis Blick auf die großen, ausdruckslosen Augen des Maresciallo.
»Sie brauchen es mir gar nicht zu sagen. Ich hätte ihm gegenüber keinen so scharfen Ton anschlagen sollen.«
Der Maresciallo sagte nichts.
»Es stimmt, wir haben uns offenbar schon genug Feinde gemacht, ohne noch mehr böses Blut zu schaffen. Ich sehe Ihnen an, daß Sie nicht einverstanden sind.«
Der Maresciallo sagte nichts.
»Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, wie diese Leute meinen, sie könnten mich zum Narren halten.«
»Was das angeht«, sagte der Maresciallo langsam, »neige ich dazu, Tozzi recht zu geben. Ich glaube, Sie sollten es nicht so persönlich nehmen.«
»Also gut, ich weiß, sie meinen nicht mich als Menschen. Dann ist es eben meine Uniform, die sie ignorieren, wenn Sie so wollen. Sagen wir, ich nehme es persönlich im Namen der
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