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Tod in Florenz

Tod in Florenz

Titel: Tod in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Büro und trat ins Freie, wo er selbst hinter seiner dunklen Brille in den hellen Tag blinzelte. Sein kleines altes Auto stand im Schatten neben dem Streifenwagen und dem Mannschaftswagen auf dem Kies gleich vor der Tür. Als er einstieg und den Motor anließ, warf er einen Blick über die Lorbeerbüsche auf den prächtigen marmornen Glockenturm und den Dom mit seiner roten Kuppel, die in bläulichen Dunst gehüllt waren.
    Dabei fiel ihm ein, daß er gestern eigentlich seinen freien Tag gehabt hätte. Es wäre schön, heute frei zu haben und hier in den Boboli-Gärten einen Gang durch die friedlichen, baumgesäumten Alleen zu machen, unter der Fontäne in dem grünen See den Goldfischen zuzusehen oder sich ein Weilchen auf eine warme Steinbank in einem der sonnigen Gärtchen zu setzen, bewacht von den weißen Statuen römischer Soldaten. Er hätte sogar einen Spaziergang mit seiner Frau in die Stadt genossen, um sich die eleganten Läden anzusehen, die zu betreten sie sich nie und nimmer leisten konnten.
    »Na ja«, murmelte er vor sich hin, »das muß eben warten, bis du pensioniert bist. Hoffen wir wenigstens, daß auch da draußen das Wetter hält …«
    Doch auf der Landstraße entlang der Bahnlinie lag dichter Bodennebel, so daß er das Seitenfenster hochkurbelte. Es erschien ihm einige Grade kälter hier, aber das konnte auch Einbildung sein. Der Himmel blieb jedoch klar und sonnig. Als er auf die andere Straßenseite fuhr und vor Bertis Werkstatt neben dem Haufen Krempel und den Plastiktüten parkte, wirkte das Ganze in der Sonne noch verkommener und schmutziger als im grauen Novemberregen, der die Konturen verwischt hatte.
    Es stand kein anderes Auto da, und über Tür und Fenster des Studios war das Metallgitter heruntergelassen. Noch bevor er den Motor abgestellt hatte, erschien Tinas blasses rundes Gesicht hinter dem kleinen, vergitterten Fenster; sie lächelte abwesend, als habe sie ihn erwartet. Er war kaum ausgestiegen und hatte an die Tür geklopft, da hörte er schon ihre schlurfenden Schritte, und sie öffnete ihm bereitwillig die Tür, ihr eines Auge lächelte ihn mit kindlicher Freude an, das andere schwamm.
    »Guten Morgen«, sagte der Maresciallo, »ich komme nicht hinein –«
    Aber sie schlurfte schon davon und tat, als höre sie nicht, so daß er notgedrungen mit angehaltenem Atem hinter ihr in den engen, stinkenden Gang treten mußte.
    »Sie können sich auf den Stuhl setzen, auf dem Sie schon mal gesessen haben.«
    Er konnte sich vorstellen, wie sie dasselbe zu der jungen Schweizerin gesagt hatte, rührend in ihrer Freude, Besuch zu bekommen. Im Haus sah es noch genauso aus, alles sehr ordentlich, aber nichts frisch und sauber, obwohl das auch eine unbewußte Reaktion auf den Geruch sein konnte.
    »Ich wollte Sie wegen Ihres Bruders fragen – Ihr Bruder ist doch Moretti, nicht wahr?«
    »Ja, stimmt.« Ihre Augen strahlten bei der Erwähnung des Namens.
    »Wollen Sie sich nicht auch setzen?«
    Sie zog einen zweiten harten Stuhl vom Tisch heran und setzte sich ihm gegenüber, die Hände im Schoß wie ein gehorsames Kind.
    »Wenn Sie ihn besuchen, gehen Sie dann in sein Haus?« Sie schüttelte den Kopf. »Er hat kein Haus.«
    »Aha.« Ob er ihr das wohl erzählt hatte, um sie sich vom Hals zu halten? Jedenfalls war dies nicht der Augenblick, ihr die Illusion zu nehmen, da er der einzige Lichtblick in ihrem Leben zu sein schien. »Sie gehen also in die Fabrik?«
    »Genau. Aber nur, wenn niemand da ist, damit es niemand erfährt. Sie sagen es ihm nicht?«
    »Nein, nein …« Er überlegte einen Moment. »Er kommt also nicht hierher, um Sie zu besuchen?«
    »Eine Zeitlang ist er gekommen, aber ich glaube nicht, daß er wieder kommt, jetzt nicht mehr.«
    »Warum denn?«
    »Er hat gern die Signorina angeschaut, aber jetzt kommt sie ja nicht mehr, nicht wahr?«
    »Nein, sie kommt nicht mehr.«
    »Bringt man sie jetzt auf den Friedhof?«
    »Ja.«
    »Da haben sie auch mein Baby hingebracht. Kommt sie in die Nähe von meinem Baby?«
    »Nein, weit weg, in die Nähe ihres eigenen Hauses.«
    »Das ist weit, sie hat es mir erzählt. Aber nicht übers Meer.«
    »Nein, nicht übers Meer. War Ihr Bruder letzte Woche hier, um die Signorina zu sehen?«
    »Ja. Er hat immer gesagt, wie hübsch sie ist. Er hat gesagt, daß sie ihn mag, und manchmal ist sie ihn besuchen gegangen. Sie hat ihn immer angelächelt und mich auch. Sie hat alle angelächelt.«
    »Stimmt«, sagte der Maresciallo, »das hat sie

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