Tod in Florenz
genau wußte und daß sie es vorher verabredet hatten. Darum frage ich mich, ob es nicht auch vorher verabredet war, daß er sie nicht abholt.«
»Tja, da könnten Sie recht haben, aber warum?«
»Vielleicht, um irgend jemandem nicht im Wege zu stehen, jemandem, der etwas mit ihr vorhatte an dem Tag … Moretti ist offenbar zu Berti rübergegangen, wenn sie da war, und hat sie mit Blicken verschlungen.«
»Das hätte ich nicht von ihm gedacht. Aber auf jeden Fall war Moretti an dem Tag im Restaurant und nicht in der Fabrik.«
»Ich weiß. Es war niemand in der Fabrik, nach dem, was man uns alles erzählt, und trotzdem hat jemand das Mädchen umgebracht.«
»Hm. Sie haben sich darum gekümmert, daß die Eltern benachrichtigt werden, ja?«
»Das habe ich dem Capitano überlassen. Ich war in der Wohnung …«
Nun mußte er Niccolini die Sache mit dem merkwürdigen Verhalten des Mädchens erklären, was alles andere als einfach war, schon allein darum, weil er alles aus zweiter Hand, von diesem gutaussehenden jungen Mann, Corsari, hatte, der ihm so gar nicht gefiel – warum, konnte er auch nicht erklären. Er tat sein Bestes, aber er verhedderte sich und war darum höchst erstaunt, als Niccolini sich am Ende seines wirren und stockenden Berichtes zurücklehnte, mit der Hand auf die Schreibtischplatte schlug und ausrief: »Da hol mich doch der Teufel! Das sieht Ihnen ähnlich, daß Sie der Wahrheit auf die Spur kommen. Ich habe ja gleich gesagt, daß Ihnen Dinge auffallen, und ich hatte recht! Ich hätte nicht geglaubt, daß ich zweimal darauf reinfalle, aber wie es aussieht, bin ich ein größerer Trottel, als ich dachte, und das in meinem Alter, wo ich mehr Frauen gehabt habe als warme Mahlzeiten!«
Da mußte ganz schön was zusammenkommen, dachte der Maresciallo, der gerade eine neue Seite seines energiegeladenen Kollegen kennengelernt hatte. Aber was meinte Niccolini, was sollte ihm aufgefallen sein?
»Ich bin nicht sicher, ob ich –«
Doch Niccolini unterbrach ihn fröhlich.
»Zum ersten Mal ist es mir in Rom passiert – das ist natürlich schon etliche Jahre her, damals hat diese Uniform – und noch mehr die Galauniform – die Frauen noch angelockt wie der Honigtopf die Fliegen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe meine Frau sehr gern, und meine beiden Jungen sind mir alles, aber das Angebot einer hübschen Frau habe ich noch nie abgelehnt, ich liebe sie alle. Also, die ich meine, war die Frau eines Offiziers und ein riskantes Vorhaben, aber sie war eine Schönheit, wenn auch ein paar Jahre älter als ich, eine richtige Verführerin. Es begann auf der Basis von: ›bringen Sie – holen Sie – tragen Sie‹, und ich dachte bei mir: ›Na gut, der Augenblick wird schon kommen, da ich mit dir allein bin.‹ Und er kam auch, als sie mich einmal bat, sie heimzufahren, und dann auf einen Drink ins Haus einlud. Wir waren sogar schon bis in ihr Schlafzimmer gekommen, als sie es mir eröffnete. Ich war ganz Knopfaugen und Plüschohren, bereit, die Ehre der Armee würdig zu vertreten, da dreht sie sich um und sagt: ›Leider verschwenden Sie Ihre Zeit, wenn es das ist, was Sie im Sinn haben. Nicht, daß ich etwas gegen Männer als Freunde hätte, aber sonst steh ich auf Frauen.‹ In dem Moment hätte man mich umpusten können. Heute lache ich darüber, dummer Junge, der ich damals war, aber ich kann Ihnen sagen, ich war fuchsteufelswild, fuchsteufelswild! Danach konnte sie sich einen anderen suchen, der das Holen und Tragen für sie übernahm!«
»Ja und der Ehemann …« wandte der Maresciallo ein, dem fast die Augen aus dem Kopf fielen.
»Stand auf Knaben. Vernunftehe. Und wenn dieser junge Mann, von dem Sie mir erzählt haben, mit zwei Lesben herumhängt, dann ist er wahrscheinlich selbst weder Fisch noch Fleisch, ob er es weiß oder nicht.«
»Das also ist denen aufgegangen, wenn sie zum Essen eingeladen waren …«
»Und ich sehe ihre Gesichter förmlich vor mir.«
»Gütiger Himmel … ich glaube, wenn Sie nichts dagegen haben, dann rufe ich den jungen Mann lieber mal an. Ich wäre bei so einer Sache nicht gern im Irrtum.«
»Irrtum ausgeschlossen, verlassen Sie sich drauf, aber rufen Sie ihn auf jeden Fall an, wenn Sie wollen.«
Der Maresciallo kramte den Zettel aus seinem Notizbuch und probierte die Nummer in der Schule, da es Vormittag war. Corsari war nicht da, er hatte Bescheid gesagt, daß er den Tag frei nehmen wollte. Aber unter Signorina Stauffers Nummer war Corsari selbst am
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