Tod in Garmisch
sollte.
»Und der Herr Professor teilt meine Expertise voll und
ganz«, beendete der Doktor das Intro und fügte eine Kunstpause ein, in die
hinein Schwemmer sagte:
»Meiner Meinung nach ist er ja an einem geplatzten
Hirnaneurysma gestorben.«
Von Pollscheidt schwieg sekundenlang. Dann räusperte
er sich und sagte: »Richtig. Das ist richtig. Ruptur eines Aneurysmas im
Kleinhirn.« Er klang sehr beleidigt.
»Was ist mit der DNS von dem Gewebe unter seinen Fingernägeln?«
»Diese Untersuchung liegt nicht in meinem
Verantwortungsbereich. Das Ergebnis wird in Kürze erwartet und umgehend per Fax
an Sie weitergeleitet.«
»Aber Herr Doktor! Seit wann so förmlich?«, sagte
Schwemmer fröhlich, aber von Pollscheidt hatte einfach aufgelegt.
Schwemmer klappte das Handy zu.
»Ich beneide Sie«, sagte Frau Isenwald. »Ich wette, er
hat geschrien: ›Das hat dir der Teufel gesagt!‹, und sich dann vor Wut in zwei
Hälften zerrissen. Hätte ich gern gehört. Aber was bitte ist ein Aneurysma?«.
»Ich habe mich gestern bei einem befreundeten Arzt
erkundigt, was Vinz Schedlbauer da mit gemeint haben könnte.« Schwemmer
blätterte das letzte Tagebuch auf und zeigte auf eine Stelle.
Frau Isenwald las laut vor: »›… mir den Schädel
einzuschl…agen, bis das Ding in meinem Kopf platzt.‹ … Das Ding in meinem Kopf
… sogar unterstrichen … bis es platzt.«
»Er war bei einem Spezialisten für Gefäßerkrankungen
in Behandlung. Mein Freund tippte deshalb mit ziemlicher Sicherheit auf ein
Aneurysma, das ist eine krankhafte Ausbeulung einer Arterie, die bei stumpfer
Gewalt leicht platzen kann. Man kann das überall haben, aber gerade im Gehirn
ist es lebensgefährlich.«
»›Wieso weiß sie davon?‹«, las Frau Isenwald weiter
vor. »Wieso nicht? Wieso soll seine Mutter nicht wissen, dass er krank ist?«
»Das steht in einem der früheren Hefte: Er hat es
absolut niemandem erzählt, weil er Angst hatte, man würde ihm das
Gleitschirmfliegen verbieten. Ich weiß nicht, ob man es ihm hätte verbieten
können, aber Tandemsprünge hätte gewiss keiner mehr bei ihm gebucht, wenn das
bekannt gewesen wäre.«
»Und versichert hätte es erst recht keiner. Und wer
ist C. Strobl?«
»Carmen Strobl ist Sprechstundenhilfe bei genau jenem
Gefäßdoktor.« Schwemmer suchte kurz in den Papieren auf seinem Schreibtisch,
zog ein Blatt heraus und legte es ihr hin. »Sie hat in den letzten sechs
Monaten siebenundzwanzigmal mit Mirl Schedlbauer telefoniert. Abgehend und
ankommend.«
»Die Mutter wusste es also. Aber wer noch?« Frau
Isenwald schloss für einen Moment konzentriert die Augen. »Wenn der Täter
glaubhaft machen kann, dass er nichts von diesem … Aneurysma? … wusste, dann
enden wir bei einer Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge.«
»Die Bremer hängen keinen, sie hätten ihn denn«, sagte
Schwemmer.
»Wie bitte?«
»Wir sollten den Täter erst mal kennen und kriegen,
meine ich.«
»Ja, aber das ist Ihr Job. Ich sprach von meinem .«
Frau Isenwald blätterte weiter in dem Heft. »Haben Sie das hier gesehen?«
Sie reichte ihm die aufgeklappte Kladde und wies auf
den Falz in der Heftmitte.
»Da fehlen Seiten«, sagte Schwemmer. »Nein, das hatte
ich noch nicht gesehen …« Er blätterte vor und zurück und las die Daten der
Einträge. »Das war, kurz nachdem er sich versteckt hatte.«
Er griff zum Telefon.
»Dräger«, sagte er. »Komm doch bitte mal in mein Büro
… Ja, dringend.«
Drägers Büro war zwei Türen weiter, und er stand so
schnell in der Tür, dass Schwemmer und Frau Isenwald das Gespräch noch nicht
hatten wiederaufnehmen können.
Schwemmer zeigte ihm die Kladde. »Könnte es da auf den
benachbarten Seiten Abdrücke vom Stift geben oder was Ähnliches?«
Dräger hielt das Heft waagerecht und sah gegen das
Fenster hin darüber hinweg. »Da sind von jeder beschriebenen Seite vorher
Abdrücke drauf. Es geht vielleicht, aber ohne Garantie, und es wird dauern«,
sagte er. »Stammt das aus dem Stadel, den die Hunde gefunden haben?«
»Ja.«
»Dann hab ich eine bessere Idee.«
»Welche?«
»Das sag ich dir erst, wenn sie wirklich besser war«,
sagte Dräger und war schon aus der Tür.
Schwemmer sah ihm hinterher. »Der«, sagte er, »ist der
verdammt Beste, den ich hier im Haus hab. Außer Schafmann, wenn er gesund ist.«
»Ich weiß«, sagte Frau Isenwald.
»Woher?«
»Hab ich einen Blick für.«
»Einen Blick?«
»Ja … Ich steh einfach auf gute
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