Tod in Garmisch
nach hinten. »berni, bewaffnet!
sie suchen mich. muss ihn beobachten. wenn er weg ist: sofort
quartier-wechsel.«
Schwemmer griff zum Telefon. »Schafft mir den
Schedlbauer ins Vernehmungszimmer«, sagte er.
Dann blätterte er weiter zurück.
»offenes gespr. mit mirl; großer fehler. m hysterisch.
droht mir den schädel einzuschl. bis das ding in meinem kopf platzt. wieso weiß sie davon? c. strobl!« , las er.
»C. Strobl … Wer könnte denn C. Strobl sein?«, fragte
er halblaut.
»Strobl? Ohne e?« Schafmann zog seinen Notizblock aus
der Tasche und blätterte. »Strobl heißt die Sprechstundenhilfe bei diesem Dr.
Wagner. Mit der hab ich heut Mittag noch telefoniert.«
»Was ist das eigentlich für ein Arzt?«
»Gefäßmedizin.«
»›Das Ding in meinem Kopf‹«, murmelte Schwemmer. »Wann
wolltest du nach Weilheim?«
»Morgen Mittag.«
Schwemmer sah auf die Uhr. »Für heute ist es zu spät«,
sagte er. »Fahr morgen früh. Direkt von zu Hause.«
»Ich weiß nicht, ob der Doktor dann Zeit hat.«
»Egal. Hauptsache, Frau Strobl ist da«, sagte
Schwemmer.
Es gab einiges, was Schwemmer an seinem Job nicht
richtig gefiel. Aber was er wirklich hasste , war, wenn
gewalttätige Trottel wie Berni Schedlbauer vor Selbstmitleid zu weinen
anfingen. Er saß am Tisch des Verhörzimmers und heulte Rotz und Wasser darüber,
dass er seinen eigenen Bruder mit der Flinte in der Hand durch den Wald gejagt
hatte.
Einen Schreck hatte er ihm einjagen wollen, verstehen
hätt der Vinz doch müssen, dass das nicht anging, die eigene Mutter anzuzeigen,
dass es doch um die Familie ging, am End doch auch um ihn selber. Also den Vinz
selber, so wie der Berni das sah.
Ein paar von den Ukrainern, die für sie im Holz
arbeiteten, hatten ihn gesehen droben, oberhalb vom Hohen Weg. Hatten den Berni
gefragt: Ist dein Bruder nicht mehr in den Anden? Und dann war der Berni da raufgestiegen.
So, wie die Nanni es ihm gesagt hatte. Die Nanni hatte gesagt, geh da rauf und
find ihn und zeig ihm, dass er das mit uns nicht machen kann.
Drei Tage lang war er immer wieder rauf, hatte gesucht
und gewartet, einmal hatte ihm sogar der Meixner-Bauer mit der Flinte in der
Hand aufgelauert.
Aber am Ende hatte er den Vinz gefunden, ganz klar,
denn im Wald machte dem Berni keiner was vor. Bleib stehen, hatte er gerufen,
weil, er hatte ja mit dem Vinz reden wollen, dass es nicht angeht, die Mutter
anzuzeigen, dass es um die Familie ging und auch um ihn selber, also den Berni.
Dass es eben auch sein Geld war, also dem Berni seins. Aber der Vinz hatte
nicht mit ihm reden wollen und war stattdessen weggerannt, und er war
hinterher, und ja, der Berni hatte dann auch geschossen. Ein Mal. Also ein Mal
beide Läufe. Aber er hat ihn nicht getroffen, weil, er wollt ihn gar nicht
treffen, aber dann war da schon wieder der Meixner, und der hat den Vinz
getroffen. Der Berni ist dann weg, war ja dem Meixner seine Sache. Der hatte den Vinz getroffen, nicht der Berni, da muss der sich auch drum
kümmern. Und jetzt ist der Vinz tot, und der Meixner ist schuld, und der Berni
muss weinen.
Schwemmer stand auf und ging aus dem
Vernehmungszimmer. Auf dem Flur lehnte er sich an die Wand, und als kurz darauf
Schafmann herauskam, ertappte er sich dabei, dass er an seinem Daumennagel
kaute.
»Ich rauch ja nicht mehr«, sagte Schafmann. »Sonst
würd ich jetzt.«
»Rauchen ist schlecht«, sagte Schwemmer.
»Danke, dass du mich erinnerst … Mann, ist das ein
unangenehmer Charakter … Sagtest du was?«
Schwemmer knurrte verneinend. Er hatte allerdings so
intensiv »Arschloch« gedacht, dass es ihn nicht gewundert hätte, wenn Schafmann
es gehört hätte.
»Glauben wir ihm?«, fragte Schafmann.
»Das ist ja das Schlimme. Jedes Wort. Der Kerl jagt
ihn durch den Wald, schießt auf ihn, der Meixner steht zufällig in Zielrichtung
und schießt zurück. Vinz wird getroffen, stürzt, bricht sich ein Bein. Das
passt alles zu dem, was wir wissen.«
»Aber dann …«, sagte Schafmann.
»Aber dann …«, bekräftigte Schwemmer. »Dann, als es
wirklich passiert ist, will keiner dabei gewesen sein …«
»Außer dem Allensteiner …«
»… der als Einziger sicher nicht dabei war.«
Eine ganze Weile schwiegen sie, beide in Gedanken.
Schwemmer schlenderte zum Fenster an der Stirnseite des Flures und sah auf den
dunklen Hof hinunter.
»Nanni«, sagte er. »Hat nichts gelernt von ihrer
Mutter, als dass Geld wichtig macht. Sie verteidigt ihren Besitz. Um jeden
Preis. Weil
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