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Tod in Garmisch

Titel: Tod in Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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wenig die Augen zusammen und sah sein
Glas an. Er schien nachzudenken.
    »Aber wenn das derselbe Mann war, auf den Großvater
…«, sagte Magdalena.
    »Das wäre die erste Frage, die man klären müsste«,
sagte Kant und sah sie ernst an. »Womit hat er denn geschossen?«
    »Mit seiner Schrotflinte.«
    »Welche Ladung?«
    »Kaninchenschrot, sagt er. Auf dreißig Meter.«
    »Na ja … Wo ist die Flinte?«
    »Ich weiß es nicht. Unser Knecht hat sie verschwinden
lassen.«
    »Ist der vertrauenswürdig?«
    »Ja«, antwortete Magdalena spontan, und tatsächlich
gab es niemanden, dem sie mehr vertraute als dem alten Hias. »Absolut«, setzte
sie hinzu.
    »Dann sehe ich fürs Erste keinen Anlass zur Sorge«,
sagte Kant. »Selbst wenn die Flinte wieder auftaucht: Als Beweisstück ist sie
nur von Belang, wenn die Polizei die Hülsen gefunden hat. Hat sie das?«
    »Keine Ahnung. Aber sie waren schon auf dem Hof. Und
sie haben nach der Flinte gefragt.«
    »Und die ist nicht mehr da … Ihr Großvater ist schon
ziemlich alt, nicht wahr?«
    »Fünfundachtzig.«
    »Und sehr stur …« Kant nickte nachdenklich. »Ich kann
mir vorstellen, dass ein Gutachter ihn im Ernstfall als nicht voll schuldfähig
einstufen würde. Ich bin zwar kein Jurist, aber wirkliche Sorgen, dass Ihr Herr
Großvater eingesperrt wird, brauchen Sie sich meines Erachtens momentan nicht
zu machen. Aber wenn Sie möchten, gebe ich Ihnen natürlich gerne die Nummer
meines Anwalts.«
    »Dass sie ihn einsperren, das wäre furchtbar. Aber eigentlich
hab ich viel mehr …«, Magdalena sprach sehr leise, »… viel mehr die Sorge, dass
er es tatsächlich getan hat. Dass er wirklich daran schuld ist,
dass der Mann tot ist, wenn Sie verstehen.«
    Kant nippte an seinem Whisky. »Ja«, sagte er. »Das
verstehe ich.«
    »Irgendwie ist das genauso wichtig. Vielleicht sogar
wichtiger.«
    »Nun, man kann ohne Weiteres sagen, dass soziales
Verhalten mehr von der Angst vor Scham als von der Angst vor Strafe gesteuert
wird«, sagte Kant.
    »Da könnten Sie recht haben.« Magdalena schenkte sich
einen Grapefruitsaft ein und deutete ein Anstoßen an. »Danke, dass Sie mir
zugehört haben«, sagte sie.
    »Keine Ursache.«
    »Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Tag.«
    »Er war arbeitsreich … Haben Sie etwas von Ihrem
Bruder gehört?«
    »Ach, der Wastl …«
    Magdalena seufzte. Natürlich, die Baustelle gab
es ja auch noch. Sie lächelte müde in ihr Saftglas, während in ihrem Hals ein
Knoten wuchs, der immer härter und schmerzhafter wurde.
    »Entschuldigen Sie«, stieß sie hervor und drehte sich
schnell um, damit Kant nicht sah, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
Sie zog ein Kleenex aus der Schachtel hinter der Bar und schnäuzte sich.
    Kant schwieg höflich, aber sie bemerkte seinen Blick
im Spiegel hinter den Flaschen. Sie fing sich und drehte sich wieder um.
    »Noch einen Whisky?«
    »Danke, ich habe noch.«
    »Es ist alles etwas viel im Moment«, sagte sie. »Ich
bin eigentlich nicht der Typ, der …« Sie brach den Satz ab.
    Kant lächelte sein distanziert freundliches Lächeln.
»Ich verstehe«, sagte er. »Sie erwähnten heute Mittag Schwierigkeiten, die Ihr
Bruder hat. Was für Schwierigkeiten sind das?«
    »Wastl muss das Geld … diese fünfzigtausend … bis
Sonntag aufbringen. Und der Mann, dem er es schuldet, gilt als … humorlos.«
    »Ihr Bruder ist in Frankfurt, sagten Sie? Frankfurt am
Main?«
    »Ja.«
    »Und wie heißt dieser humorlose Herr?«
    »Orlowsky.«
    Kants Augenbrauen hoben sich. » Sandor Orlowsky?«
    »Das weiß ich nicht. Kennen Sie den Mann?«
    »Nicht persönlich.«
    »Wissen Sie etwas über ihn?«
    »Nun ja, er gilt als … humorlos.«
    Kant sah lange auf seine Armbanduhr, als würde er
etwas berechnen, dann schüttelte er bedauernd den Kopf.
    »Ich bin untröstlich, aber ich muss mich leider
verabschieden.« Er stand auf und zog seinen Mantel über.
    Genau in diesem Moment flog lautstark die Eingangstür
des Hotels auf, und ein vierschrötiger Mann betrat das Foyer. Er war Ende
dreißig, bald eins neunzig groß und mochte an die hundertzwanzig Kilo wiegen.
Nicht alles davon, aber doch eine ganze Menge, war Muskeln. Er sah sich suchend
um, entdeckte Magdalena hinter der Bar und kam hereingestampft.
    Magdalena wusste, dass sie den Mann kannte, aber es
dauerte eine Zeit, bis ihr dämmerte, wen sie da vor sich hatte.
    Berni Schedlbauer trug Arbeitsstiefel, eine grobe
Cordkniebundhose voller Zementflecken und einen abgewetzten

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