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Tod in Garmisch

Titel: Tod in Garmisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Schueller
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am
frühen Morgen eine Serie von vier Schüssen gehört zu haben. Die Uhrzeit kann er
nicht sagen, er glaubt aber, es sei noch nicht hell gewesen. Gesehen hat
jedenfalls niemand etwas.«
    »Vermisstenanzeigen?«
    »Sind europaweit abgefragt. Es gibt drei mögliche
Treffer, die hab ich zum Abgleich an von Pollscheidt geschickt. Der hat noch
nicht geantwortet.«
    Schafmann kam herein und ließ sich in den
Besucherstuhl fallen. Sein Blick war verkniffen. Auch wenn sein Gesicht nicht
mehr so gelbgrau war wie am Mittag, wirkte er nicht glücklich.
    »Alles klar?«, fragte Dräger.
    »Hast du Kinder?«, fragte Schafmann.
    »Weißt du doch«, antwortete Dräger.
    »Schwemmer hat keine, aber du kannst mich
bestimmt verstehen …« Schafmann sah Dräger mitleidheischend an. »Ich habe ein
Lied im Kopf, und ich krieg’s nicht los. Das Lied von dem Eichhörnchen.«
    »Oh«, sagte Dräger. »Das ›Lulalulalupsa‹-Lied.«
    »Genau.« Schafmann summte eine sehr, sehr einfache
Melodie.
    Dräger summte ein bisschen mit. »Das ist bitter«,
sagte er dann verständnisvoll.
    Schwemmer sah die beiden an, als hätten sie gerade
chinesisch geredet. »Lulalulalupsa-Eichhörnchen?«, fragte er.
    »Brauchst nicht so schaun«, sagte Dräger. »Es gibt
halt auch Dinge, die du nicht verstehst. Ich hoffe nur, der Kollege
Schafmann steckt mich damit nicht an. Das kann Tage dauern, bis so was wieder
aus dem Schädel ist.«
    »Eichhörnchen«, sagte Schafmann, »sind eine völlig zu
Unrecht positiv bewertete Spezies. Mit was schießt man die?«
    »Am besten mit Sauposten, jedenfalls die singenden. Da
bleibt nur der Schwanz über«, sagte Dräger, und so langsam wurde Schwemmer
klar, dass die beiden ihn auf den Arm nahmen.
    * * *
    »Also«, sagte Burgl. Sie war damit beschäftigt, das
Fleisch der Ochsenschwanzstücke von den Knochen zu lösen, was Konzentration
erforderte, worunter ihre Erzählung leiden würde. Aber Schwemmer gestand sich
ein, dass ihm das momentan völlig egal war. Der Duft des Suds erfüllte die
Küche und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Im Wortsinn.
    Er trat lässig an seine Frau heran, umfing ihre Hüften
und küsste ihr den Nacken.
    »Das dauert schon noch«, sagte Burgl, während
Schwemmer versuchte, ein Stück des abgelösten Fleischs vom Brett zu stehlen. Er
erwischte eins, und es gelang ihm auch, dem Hieb mit dem Messerrücken
auszuweichen, der auf seine Hand zielte.
    »Nun erzähl«, sagte er mit vollem Mund. »Was war mit
dem Rossmeisl Hias?«
    »Meinst wirklich, ein Bier passt?«, fragte Burgl, und
sie stürzte Schwemmer damit in Selbstzweifel.
    Natürlich hatte er geglaubt, dass ein Bier passte,
aber bei seiner voreiligen Festlegung auf Tegernseer Spezial hatte er seine eigenen Rezepte für Nudelfleckerl und Ochsenschwanzsuppe im Kopf gehabt. Er selbst
hatte Ochsenschwanzsuppe erst ein Mal gekocht, und die war auch nicht klar
gewesen, sondern völlig undurchsichtig und sollte als Grundlage dienen für ein
anständiges Besäufnis anlässlich seines Fünfundvierzigsten. Diese Aufgabe hatte
die Suppe auch anstandslos erfüllt; Schwemmer waren zumindest keine Klagen zu
Ohren gekommen.
    Und jetzt dieser Duft.
    Er murmelte etwas und verließ unauffällig die Küche.
    »Also Mutter erzählt, der Hias wär damals …«, hörte er
Burgl noch sagen.
    Er ging in den Keller hinunter und fluchte innerlich
vor sich hin. Die Wahl war ganz einfach: Ins Auto steigen und zum Supermarkt an
der Hauptstraße fahren, dort eine unsichere Wette auf einen mittelmäßigen Wein
eingehen oder eben die drittletzte Flasche Comtesse de Lalande aus dem Keller
holen.
    Er nahm eine der Flaschen aus dem Regal, wickelte sie
aus dem weißen Pergamentpapier und sah sie nachdenklich an. Der weiche volle
Geschmack des Bordeaux stieg aus seiner Erinnerung auf, und wenige Sekunden
später schon war es das unabwendbare Schicksal dieser Flasche, gemeinsam mit
Burgls Ochsenschwanzsuppe das Zeitliche zu segnen.
    Diese Entscheidung zu treffen fiel leicht.
    Weniger leicht tat Schwemmer sich mit der Erkenntnis,
dass er selbst noch nicht übermäßig viele Gerichte zubereitet hatte, die ihm
diese Entscheidung so leicht gemacht hatten.
    Eigentlich waren es nicht nur nicht viele. Es waren,
streng genommen, nicht einmal wenige.
    Es war genau eines.
    Kaninchenrückenfilet, dachte er. Meine
Kaninchenrückenfilets. Dazu passt der Comtesse auch. Wenn ich sie nicht zu
exotisch würze. Und gutes Fleisch brauch ich, das ist das Allerwichtigste, ein
wirklich

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