Tod in Marseille
Salon, in dem, an einer Wand aufgereiht, die saßen, die gerade nicht arbeiteten. Der einzige Unterschied zu den einschlägigen Einrichtungen in Deutschland war, dass hier alle Frauen schwarz waren.
Dann erschien am Ende des Flurs die gewaltige Gestalt von Mama Rose. Bei ihrem Anblick blieb Grimaud stehen. Die beiden Polizisten unterbrachen ihre Tätigkeit. Auch Bella ging nicht weiter und starrte dem Berg entgegen, der auf sie zugewankt kam; eine gewaltige Fleischmasse, in rote Seide gewickelt und mit einem Schal um den Kopf geschlungen, der gemustert war wie ein Leopardenfell.
Der Fleischberg blieb vor Grimaud stehen und deutete eine Verbeugung an.
Willkommen, mon capitaine, was verschafft uns die Ehre Ihres Besuchs?
Die kleinen Augen in dem breiten Gesicht funkelten, ob böse oder freundlich, war nicht auszumachen.
Die kennen sich, dachte Bella plötzlich. Gerade wird mir der zweite Akt des Dramoletts vorgespielt, das Grimaud sich ausgedacht hat.
Wir werden jetzt, ohne auf den laufenden Betrieb Rücksicht zu nehmen, sagte Grimaud, alle Räume durchsuchen. Wir suchen eine junge Frau, Spanierin, Weiße, und wenn sie sich bei Ihnen versteckt hält, werden wir sie finden.
Hier arbeiten keine Weißen, sagte Mama Rose, mit einer Stimme, die ausdrückte: Das weißt du doch, du Trottel.
Grimaud wandte sich den beiden Polizisten zu und forderte sie mit einer Handbewegung auf, weiterzumachen. Dann zwängte er sich an Mama Rose vorbei und ging bis an das Ende des Flurs.
Wetten, dass dort die Bar ist?, dachte Bella belustigt. Sie wollte ihm folgen, aber Mama Rose schob sich zwischen sie und Grimaud. Als sie die Bar erreicht hatten, rief Mama Rose ein paar Worte in einer fremden Sprache in Richtung Tresen. Gleich darauf wurden zwei Gläser mit einer rosa Flüssigkeit gebracht, und Bella hatte Gelegenheit, den Aufzug der Frau, die sie in den Händen hielt, zu bewundern. Sie trug nichts außer Schuhen mit sehr hohen Absätzen und im Nabel und an den Ohren funkelnde Steine, die Bella als echt angesehen hätte, wenn ihr die Umgebung für Brillanten dieser Größe nicht unangemessen vorgekommen wäre.
Trinken Sie, meine Dame, trinken Sie, krächzte Mama Rose. Sie hatte sich auf einen Stuhl gezwängt, der einem Thron ähnlich sah. Ihre Tochter ist weggelaufen? Böses Mädchen, böses, böses Mädchen.
Ruhe!, schrie Grimaud. Ich verlange absolute Ruhe, solange die Durchsuchung läuft. Vor der Tür stehen ein paar Männer, die mit Schießeisen umgehen können. Weglaufen hat gar keinen Zweck.
Die Mädchen im Salon hörten auf zu kichern. Es wurde still, bis auf das Knallen der Türen, wenn sie, von Stiefeln getreten, gegen Wände flogen, und das immer gleiche Gekreisch, das darauf folgte. Bella beobachtete Mama Rose.
Die Frau sieht gefährlich aus, dachte sie. Sie ähnelt einem Krokodil, das unter Wasser auf Beute lauert. Wen die einmal zwischen den Zähnen hat, den lässt sie nicht wieder los.
Die Durchsuchung der Nebenräume war erfolglos. Im Salon wurden die Frauen von den Bänken gescheucht und mussten sich in der Mitte des Raums aufstellen. Die Rückenlehnen der Bänke ließen sich abnehmen. Auch dahinter keine Spur von Maria-Carmen. Mama Rose sah noch immer wütend aus.
Da macht Ihr alles kaputt, sagte sie, und wir können sehen, wie wir dann die Reparaturen bezahlen. Dafür muss ich den Frauen etwas extra abnehmen.
Ich schlage vor, Sie beschweren sich beim Innenminister, entgegnete Grimaud. Ich werde Ihnen seine Telefonnummer hierlassen.
Die brauch ich nicht, murmelte Mama Rose.
Weil der Innenminister ihr Kunde ist, wetten?, murmelte Bella.
Mama Rose hatte sie trotzdem gehört. Sie richtete sich halb auf und stützte sich mit ihren fetten Händen auf die Lehnen ihres Stuhls, als sie sagte: Es kann ja sein, dass Sie die Geliebte dieses durchgeknallten Polizisten sind, aber ich rate Ihnen: Verlassen Sie ihn, solange noch Zeit ist. Dieser Mann ist ein Gauner. Er ist ein Angeber und Betrüger. Außerdem macht er es nur mit Schwarzen. Sie hätten keine Freude an ihm.
Halt den Mund, Mama Rose, sagte Grimaud friedlich. Und zu Bella gewand: Hier ist niemand. Sie konnten es selbst feststellen.
Haben wir denn alle Räume gesehen?, fragte Bella.
Sie hatte einfach keine Lust, nach der Komödie, die man ihr vorgespielt hatte, so zu tun, als wäre sie zufrieden. Sie hasste es, reingelegt zu werden.
Was meint sie?, fragte Mama Rose.
Sie hatte sehr gut verstanden. Auch sie spielte ihr Spiel. Wie Grimaud. Nur ein wenig
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