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Tod in Marseille

Tod in Marseille

Titel: Tod in Marseille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Gercke
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von dort den Bus nach Vence. Er kannte die Strecke, und sie schien ihm beinahe immer noch so schön wie damals, als er hier dauernd verliebt gewesen war. Als junger Mann hatte er einige Sommer an der Côte d’Azur verbracht, in Vence hatte eine Freundin von ihm gewohnt. Das war fünfundzwanzig Jahre her, und er freute sich darauf, das Städtchen wiederzusehen. Als er ankam, stellte er fest, dass zwar die Bushaltestelle verlegt worden war, aber alles andere noch seinen Erinnerungen entsprach. Bevor er zu Nissen ins Hotel gehen wollte, setzte er sich am Markt in das Café unter den Platanen, in dem er auch damals oft gesessen hatte, trank einen Pastis und fühlte sich jung und gleichzeitig melancholisch. Gegenüber hatten Blumenhändler wie damals ihre Stände aufgebaut, und er meinte den Geruch von Levkojen wahrzunehmen.
    Dann sah er Nissen mit einer sehr schönen, dunkelhäutigen Frau am Arm vorübergehen. Er hob zögernd die Hand. Dabei wäre er gern noch eine Weile allein in der warmen Luft im Schatten der Platanen sitzen geblieben. Er hätte sich nicht bemerkbar machen sollen, aber jetzt war es zu spät. Sie kamen schon an seinen Tisch.
    Die junge Frau begrüßte ihn und erklärte dann, sie müsse noch zum Traiteur, um ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Nissen setzte sich und musterte Grimaud, als hätte er ihn Jahre nicht gesehen.
    Wir werden zusammen ins Hotel gehen, sagte er.
    Offenbar war die Musterung zu seiner Zufriedenheit ausgefallen. Grimaud erhob sich, aber Nissen hielt ihn zurück.
    Nein, wir warten auf Abra, sagte er lächelnd.
    Zum ersten Mal, seit er sich auf den Weg nach Vence gemacht hatte, wurde Grimaud klar, dass er einem Verbrecher gegenübersaß. Nein, dachte er, wenn man die Situation genau beschreiben wollte, müsste man sagen, hier sitzen zwei Verbrecher bei der Abwicklung ihrer Geschäfte auf dem Marktplatz von Vence. Merkwürdigerweise war ihm das Wort »Verbrechen«, in Bezug auf Nissen bisher gar nicht in den Sinn gekommen. Er hatte, wenn er an das dachte, was sie verband, in Worten wie »Geschäft« oder »Transaktion« oder »Unfall« gedacht, auch »das Geld« war eine Bezeichnung gewesen, mit der er ihre Beziehung bei sich umrissen hatte.
    Das Geld, sagte er, du hast es doch?
    Nissen nickte. Was glaubst du, weshalb ich mich mit dir treffe. Ein schöner Batzen. Was wirst du damit tun?
    Grimaud dachte an den Fußball-Club und seinen Freund im Rollstuhl und das Clubhaus, das sie planten. Er hatte keine Lust, mit Nissen darüber zu sprechen.
    Ich leg’s auf die hohe Kante, sagte er. Man weiß nicht, wann man es mal braucht.
    Sehr gut, antwortete Nissen. So fragt sich auf keinen Fall jemand, weshalb ein kleiner Polizist plötzlich mit Geld um sich wirft. Entschuldige den kleinen Polizisten, setzte er hinzu, als er Grimauds wütendes Gesicht sah. Du weißt, es war nicht so gemeint.
    Die beiden schwiegen sich an. Es gab einfach nichts zu sagen. Nissen, der nicht wollte, dass Grimaud misstrauisch wurde, begann von Abra zu erzählen.
    Du hast sie gesehen, sagte er. Ich glaube, sie ist die schönste Frau, die ich je hatte. Mama Rose, du erinnerst dich. Sie wusste genau, womit sie mir eine Freude machen konnte. Ich hab siedort unten besucht. Entsetzliche Zustände. Hat mich eine Stange Geld gekostet. Komische Sache: Benin, ärmstes Land mit den teuersten Frauen.
    Dann lebt sie also noch?, fragte Grimaud. Er sprach, um nicht stumm dazusitzen und weil ihm die Abschiedsparty wieder eingefallen war, die er längst vergessen hatte.
    Solche Frauen leben ewig, lachte Nissen. Sie haben die richtigen Zaubermittel. Sie gehen mit dem Tod um, als wäre er das Leben.
    Er sah Grimaud prüfend an. Das war eben eine leichtsinnige Bemerkung gewesen, aber dieser Polizist hatte gar nicht richtig zugehört. Wie ein Jahr Menschen verändern kann. Er war fetter geworden, der gute Grimaud.
    Da kommt Abra, sagte er. Das Hotel ist gleich rechts, in der kleinen Straße da drüben. Komm in einer halben Stunde. Wir wollen nicht zusammen von hier weggehen. Abra, Liebling, setz dich. Ich zahle. Nissen winkte dem Kellner.
    Sie hat gar nichts eingekauft, dachte Grimaud. Hatte sie nicht gesagt, sie wolle Kleinigkeiten beim Traiteur einkaufen? Wie klein sind Kleinigkeiten?
    Wie gefällt es Ihnen hier?, wandte er sich an Abra. Als junger Mann war ich oft auf dem Markt in der Altstadt. Da gab es ein Café, das Clemenceau. Ich möchte wissen, ob es das heute noch gibt.
    Ich weiß nicht, sagte Abra. Ich hab nicht darauf

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