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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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um und sah ihn an.
    Paul schaute schnell weg. Er durfte nicht auffallen; keiner durfte sich an ihn und den Koffer erinnern ... Er erschrak, als wieder das Martinshorn ertönte. Seine Hände umklammerten die Haltestange, und er starrte durch die gewölbte Scheibe auf die dunkle Straße hinaus. Das Heulen kam immer näher und schien ihm das Trommelfell zu sprengen. Dann sah er das flackernde Blaulicht; der Peterwagen überholte die Straßenbahn und fuhr weiter.
    Hinter dem grauen Nebelvorhang tauchten die ersten bunten Lichter der Innenstadt auf. Der Lautsprecher brummte etwas; die Bahn fuhr langsamer. Das Pfeifen einer nahen Lokomotive rüttelte Paul wieder auf. Er bückte sich nach seinem Koffer und stolperte über die hohen Trittbretter hinaus.
    Vor dem Bahnhof Altona stauten sich auch jetzt noch die Autos vor den Ampeln, und an der Straßenbahnschleife wartete eine Menge neuer Fahrgäste.
    Paul richtete sich auf.
    Direkt vor ihm stand das rothaarige Mädchen im blauen Pulli und sah ihn an.
    »Ist Ihnen nicht gut?« fragte sie, und ihre Stimme klang dünn und winzig in all dem Lärm um sie herum.
    Paul suchte krampfhaft nach irgendeiner gleichgültigen Antwort und kämpfte mit dem Drang, einfach wegzurennen. Statt dessen schwieg er und holte seine Fahrkarte heraus, um sie zu zerreißen und wegzuwerfen. Sie sah ihm zu.
    »Danke, mir geht es schon gut«, sagte er endlich.
    Das Mädchen lächelte und ging weiter.
    Paul sah ihr nach. Er rannte fast in ein Auto, als er die Straße überquerte, aber weder das laute Hupen noch die Flüche schienen ihn zu erreichen. Er stapfte blind über den Bahnhofsplatz, bog automatisch nach links ab und schaute sich nur einmal kurz nach der Bahnhofsuhr um.
    Es war zehn Minuten nach elf.

21
    Ein Fernlaster mit zwei Anhängern zog an Paul vorbei und verschwand in den Lagerstraßen. Vom Rangierbahnhof her kam das Kreischen der Weichen und das Zischen der Bremsventile, das metallene Rattern einer Hebebühne, dazu die Kommandos der Männer von der Nachtschicht.
    Die Straßen wurden dunkler und schmaler. Die Häuser waren selten höher als vierstöckig, die Fassaden dunkel vor Ruß.
    Etwa hundert Meter vor Paul lief eine Frau. Er konnte sie nicht sehen, sondern nur das Hämmern ihrer Absätze hören. Jede zweite Straßenlaterne war kaputt, unter manchen lagen noch die Glasscherben als Zeugnis eines zielsicheren Steinwerfers. Ein leerer Straßenbahnwagen rumpelte ins Depot. Paul blieb stehen.
    Die Schritte waren verstummt. Unsicher sah er sich um. Er konnte die Hausnummern nicht erkennen, wußte aber, daß er nicht weit von Nummer 4 weg sein konnte.
    Aus einem Fenster drang das Gejammer einer Frau. In der Wohnung darüber brüllte ein Fernsehapparat. Ein Schuß knallte; Paul zuckte zusammen. Hände hoch! befahl eine harte Männerstimme; Sie sind erledigt. Musik brandete auf.
    Paul ging weiter. Er wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Sie war naß, als hätte es geregnet. In der Dunkelheit flüsterte jemand. Vor ihm lag eine offene Haustür, dahinter sah er eine ausgetretene Holztreppe, die ziemlich steil nach oben führte. Ein abgeblättertes Emailleschild mit der Nummer vier schmückte die schwarze Fassade. Es stank nach Bratfisch und Zwiebeln.
    Paul bückte sich, um die Namensschilder zu lesen.
    »Hallo, da bist du ja endlich!«
    Kulmhofs Stimme. Paul hob den Kopf. Kulmhof schaute aus einem Fenster im ersten Stock heraus.
    »Komm nur hoch, gleich die erste Tür rechts!«
    Paul nickte und ging hinein. Dicht neben dem Treppengeländer standen unter einer Plastikplane zwei aneinandergekettete Kinderwagen. Er stieg die Stufen hinauf. Vorsicht, frisch gewachst! warnte ein vergilbtes Schild. Die Wände waren mit Kritzeleien bedeckt. In jedem Stock gab es drei breite Holztüren, an den meisten waren mindestens drei oder vier Namensschilder. Als er bei Kulmhof läutete, wurde die Tür sofort aufgerissen, als hätte Kulmhof dahinter gewartet.
    »Na, fein, daß du da bist; ich dachte schon, etwas ist dazwischen gekommen ...« Er musterte Paul, sein Gesicht strahlte unvermindert weiter. Von oben kamen Schritte.
    Paul sagte: »Ich bin zu Fuß gekommen, deshalb.«
    Ein Mädchen kam an ihnen vorbei; sie trug einen vollen Mülleimer und lächelte Kulmhof kurz zu, bevor sie weiterging. Paul starrte ihr nach. Es war das rothaarige Mädchen aus der Straßenbahn.
    »Komm rein«, sagte Kulmhof. »Oder willst du lieber gleich schlafen?« Paul nickte schweigend.
    »Über uns vermietet jemand Zimmer –

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