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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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eine alte Schachtel, aber wenn man sie zu nehmen weiß, dann ist sie ganz passabel ...« Kulmhof redete unentwegt, während er mit Paul die Treppe hochstieg. Er läutete an der Wohnungstür, die direkt über seiner lag. Unter dem glänzenden Messingschild Luise Ohlsen waren drei kleine Papierschilder mit weiteren Namen und zwei Reißnägel, in denen noch die Reste eines vierten Schildchens hingen. Innen näherten sich schlurfende Schritte, eine heisere Stimme meckerte:
    »Haben Sie wieder mal Ihre Schlüssel vergessen?«
    Die Tür wurde aufgerissen, aber niemand sah heraus. Die Schritte entfernten sich sofort wieder.
    »Frau Ohlsen!«
    Kulmhof trat einen Schritt vor.
    Die Frau blieb stehen. Sie war klein und dick; dünne graue Haarsträhnen, von bunten Lockenwicklern zusammengehalten, standen wie Stacheln um ihr mürrisches, schlaffes Gesicht. Aus dem blau und grün gemusterten Morgenmantel schaute ein schmuddliger Nachthemdkragen hervor. Ihre Füße waren geschwollen und steckten in ausgetretenen Filzlatschen.
    Paul drückte sich hinter Kulmhof an die Wand, aber sie erspähte ihn über Kulmhofs Schulter hinweg.
    »Ah, Sie sind's! Es ist wohl ein bißchen spät geworden?«
    »Tut mir leid!« entschuldigte sich Kulmhof.
    »Na ja, macht ja nichts. Kommen Sie nur weiter, junger Mann!« Die Stimme der Frau wurde lebhaft. »Kommen Sie nur, für Sie habe ich ein besonders schönes Zimmer, mein bestes, erst seit drei Tagen leer. Sie haben Glück, junger Mann! Aber hier wohnen ja nur nette Leute. Ihr Vorgänger hatte auch Glück, er bekam eine Generalvertretung, und Herr Kulmhof ist auch so nett ...«
    Sie hatte das Ende des Flurs erreicht, öffnete eine Tür und schaltete in dem Zimmer das Licht ein. Dann trat sie zur Seite, um Paul hineinzulassen. Es war so eng, daß er sich mit seinem Koffer kaum zwischen ihr und Kulmhof durchquetschen konnte.
    Im Zimmer standen ein Schrank, ein Stuhl und ein schmales Bett, auf dem sich ein Federbett wie ein riesiger Schlagsahneberg türmte. Darüber hing ein düsteres Ölgemälde von einem mit Heu beladenen Pferdewagen, der fast die gleiche Form hatte wie das Bett darunter. Damit war das Zimmer voll, beleuchtet von einer einzelnen Glühbirne unter einem grünen Glasschirm.
    Paul schob sich zwischen Schrank und Bett, den Koffer unbeholfen hinter sich herziehend. Der Boden spiegelte vor Sauberkeit.
    »Hübsch, nicht wahr?« gurrte die Alte.
    Paul zog den Bohnerwachsgeruch durch die Nase. Seine Zelle in den zwei Jahren war größer gewesen. »Wieviel bin ich Ihnen schuldig?« fragte er.
    »Ach, das hat keine Eile«, beteuerte sie, »125 Mark im Monat, fällig am Ersten ...«
    »Ist es Ihnen recht, wenn ich Ihnen sofort fünfzig gebe?« Paul faßte in die Tasche nach den Geldscheinen von Susann. Seine Hand berührte das Papier. Wie sollte er die Scheine auseinanderfalten, ohne daß Kulmhof es bemerkte? Schließlich hatte er offiziell nur 178 Mark.
    Beide beobachteten ihn abwartend.
    Er drehte sich um. Es gab nur einen einzigen Platz für den Koffer, den Stuhl. Er stellte sich so, daß sein Körper den Koffer verdeckte, als er ihn drauflegte und den Deckel zurückschlug. Dann zog er die Hand aus der Tasche und ließ die Geldrolle auf die Kleider fallen, breitete die Scheine mit einer Hand aus und fischte einen Fünfziger heraus, bevor er den Koffer wieder schloß.
    Als er den Schein zur Tür brachte, schoß ihre Hand wie die Zunge einer Eidechse vor und riß ihm das Geld aus den Fingern.
    »Hier sind Ihre Schlüssel, und nun gute Nacht!« Sie verschwand, und nur noch Kulmhof stand in der Tür.
    Draußen knirschte ein Schlüssel in der Eingangstür; Paul hörte eilige Schritte, ein blechernes Klappern. Hinter ihm fing der Koffer an zu rutschen. Paul fuhr herum und fing ihn auf, bevor er vom Stuhl kippte und aufklappte. Gebückt blieb er stehen, den Koffergriff fest umklammert.
    Kulmhof kam einen Schritt weiter ins Zimmer herein, als ob er ihm helfen wollte, und sagte: »Nicht sehr bequem hier, aber auch nicht teuer. Wir können ja bei Gelegenheit etwas Besseres für dich suchen ... In Ordnung?«
    »Das ist vorläufig schon gut hier.«
    »Schön, dann will ich dich mal schlafen lassen!« Kulmhof zögerte, als wolle er noch etwas sagen, aber dann ging er und schloß die Tür hinter sich.
    Paul ließ den Koffer auf den Boden gleiten und sank auf den Stuhl. Er war allein.
    Sorgsam nahm er das Geld wieder aus dem Koffer, rollte es zusammen und steckte es zurück in die Hosentasche. Dann suchte er

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