Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
Kaffee.«
»Vergessen Sie die Kekse nicht!«
»Entschuldigung! Vielen Dank für die paar Kekse!«
Sie lachten, er gab ihr die Hand.
Er mußte noch grinsen, als er schon in seinem Zimmer war. Aber als er im Bett lag, kam alles zurück. Das Heulen der Sirenen, und der Mann, der mit dem Gesicht nach unten im Schlick lag und sich nicht mehr bewegte.
23
Er hörte das Pfeifen einer Lok und das gleichmäßige Rollen der S-Bahn, aber das war es nicht, was ihn aufgeweckt hatte.
Er war nicht allein im Zimmer.
Paul atmete ruhig und gleichmäßig weiter und öffnete die Augen nur einen Spalt. Dicht vor ihm schimmerte das grünliche Muster der Tapete. Es war stickig heiß. In der Nähe raschelte Papier.
Paul drehte sich um.
Ernst Kulmhof saß auf dem Stuhl neben seinem Bett und las eine Zeitung.
Paul machte den Mund auf, aber sein Hals war ausgetrocknet, und er mußte sich erst ein paarmal räuspern, bevor er sprechen konnte. »Was machen Sie denn schon wieder hier? So habe ich mir das aber nicht vorgestellt!« Mit einer heftigen Bewegung stieß er das Federbett auf den Fußboden.
»Guten Morgen, Paul. Es tut mir ehrlich leid, heute ist eine Ausnahme.« Kulmhof stand auf und legte das Federbett sorgfältig über das Fußende des Bettes, dann setzte er sich wieder hin.
Paul richtete sich halb auf. Er hatte Hunger. »Was ist denn nun schon wieder los?«
Kulmhof faltete die Zeitung mit der Innenseite nach außen und gab sie ihm. »Rechts unten, die vorletzte Meldung auf der Seite.«
Paul blinzelte und begann zu lesen. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen.
MORD AM HAFEN! schrie ihm die Schlagzeile entgegen. Halbblind las er weiter. Die Polizei erhielt heute nacht einen anonymen Anruf und fuhr daraufhin zu einem alten Lagerhaus am Elbuferweg. Sie fand die Leiche eines etwa zwanzigjährigen Mannes, der schon seit einiger Zeit tot sein mußte. Durch seinen Führerschein konnte er als Norbert Timm identifiziert werden. Der Tod wurde durch mehrere Messerstiche hervorgerufen, es handelt sich vermutlich um Mord. Die Polizei ... Paul konnte nicht weiterlesen.
Es war nicht Walter. Ein Fremder. Norbert ... Bertie!
Es war Bertie.
Paul legte sich in sein Kissen zurück und schloß die Augen. Bertie! Natürlich, wie konnte er so blind sein! Der Tote hatte ja eine Nietenhose angehabt, aber Walter trug Cordhosen ... Paul sah wieder die reglose Gestalt vor sich; an der Hosentasche glänzten die Silbernägel.
Da habe ich mich ja ganz schön verrückt gemacht, dachte er, ich sollte meinen Denkapparat renovieren lassen.
»Was gibt es da zu grinsen?« fragte Kulmhof scharf.
Paul schreckte auf. Er hatte Kulmhof vergessen, der auf dem Stuhl neben ihm saß und ihn beobachtete.
Und wenn schon! Er hatte ja nichts damit zu tun. Es war Bertie, und Bertie war gestern abend gar nicht dabeigewesen. Aber wie kam Bertie dorthin? Und erstochen ... Paul spürte, wie ihm plötzlich glühend heiß wurde.
Das Messer!
Berties Messer. Es war das Jagdmesser, das Bertie im Kaufhaus geklaut und das gestern plötzlich in Pauls Schublade gelegen hatte. Er dachte an Martens, der angeblich sein Zimmer aufgeräumt hatte.
Es kam ihm so vor, als müßte Kulmhof das Messer in dem Koffer unter seinem Bett sehen können. Das Messer mit den dunklen Flecken dicht am Griff.
»Wie spät ist es?« fragte er.
»Ist das das einzige, was dich interessiert?« Kulmhofs Stimme war schleppend. »Die Polizei interessiert sich für weitaus mehr.«
»Die Polizei?«
»Wer denn sonst! Ich hatte heute morgen schon eine Unterhaltung mit den Beamten. Sie wollten dich sprechen.«
»Mich?« Paul schluckte. »Warum mich?«
»Kannst du dir das nicht vorstellen?«
Paul schüttelte den Kopf. Er sah Kulmhofs Gesicht über sich, der Mund, der sich schnell bewegte, auf – zu, auf – zu.
»Sie haben mich gefragt ...« Ein Zug donnerte vorbei und verschluckte die Worte. Kulmhof fing noch einmal an: »Sie haben mich gefragt, ob ich deine Freunde kenne. Fred Bornekamp und Harald Gehrke.«
»Das sind nicht meine Freunde!« quetschte Paul mühsam heraus.
»Vor zwei Jahren waren sie es aber noch. Und jetzt gehören sie zum Kreis von diesem Norbert Timm. Es gibt auch Zeugen, die dich mit ihm gesehen haben wollen.«
»Ich habe nichts damit zu tun!« schrie Paul.
Kulmhof lächelte. Zum erstenmal an diesem Morgen verzog er das Gesicht. »Stimmt«, sagte er. »Als Täter kommst du nicht in Frage.«
Paul schwieg.
»Hier in der Zeitung steht noch nicht alles«, fuhr Kulmhof fort.
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