Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
Landungsbrücken hinunter, sondern bog vorher links ab.
In dem Apartmenthaus waren noch eine ganze Reihe Fenster erleuchtet. Susanns Wohnung war dunkel. Die Straße davor war leer, auf beiden Seiten standen die parkenden Autos. Paul sah sich flüchtig nach einem schwarzen VW um, machte sich aber nicht die Mühe, die ganze Straße abzulaufen.
Du hast doch nicht gedacht, du könntest uns reinlegen? Den schlauen Fred und den großen Harald und die ganze große Bande ... Und Susann.
Paul stieg die vier Stufen zum Eingang hinauf. Das Patentschloß der großen Glastür war nicht eingerastet, und er ging hinein. Er schaltete kein Licht an, sondern schlich zur Treppe, stieg bis zum vierten Stock hoch und blieb vor Susanns Wohnungstür stehen.
Alles war still.
Paul zögerte etwas und legte dann den Finger auf die Klingel. Es läutete schrill, dann war es wieder ruhig. Auch in der Wohnung war nichts zu hören. Kein Flüstern, kein Rascheln.
Paul suchte seine Taschen durch, aber das einzige, was er noch hatte, war das große Taschenmesser. Er klappte den kleinen Schraubenzieher heraus und bückte sich. Die kleine Taschenlampe brannte noch schwach; Paul arbeitete schnell. Er schraubte die Deckplatte ab, legte sie vor sich auf den Boden, klappte die Zange aus dem Heft und setzte sie an den Bolzen. Seine Hände schmerzten, die Zange war sehr klein, aber beim dritten Versuch griffen die Backen, das Schloß gab nach.
Die Tür sprang mit einem leisen Schnappen auf; Paul hielt sie fest und horchte in die Wohnung hinein. Dann nahm er die Messingplatte und schraubte sie sorgfältig fest. Die Lampe verlöschte, und er mußte die letzte Schraube mit dem Finger ertasten und nach Gefühl festziehen. Dann richtete er sich auf, schlüpfte hinein und schloß die Tür hinter sich.
Den Rücken an die Wand gelehnt, blieb er in dem kleinen Flur stehen und wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Seine rechte Hand tastete in der Tasche nach der Pistole und holte sie heraus. Sie war schwer, und der rauhe Kolben brannte in seiner Handfläche.
Die Tür zum Wohnzimmer war offen; dahinter sah er die schattenhaften Umrisse der Möbel. Es roch nach kaltem Zigarettenrauch und nach Susanns Parfum.
Dann erstarrte er.
Über die geschwungene Rückenlehne des Sessels ragte ein Kopf, leicht schräggelegt und gegen das Fenster nur schwach sichtbar.
Die Wohnung war nicht leer.
Susann wartete auf ihn. Lautlos, unbeweglich ... Paul legte den Finger fester um den Abzug, aber er hob die Waffe nicht an. Den Lauf auf den Boden gerichtet, ging er weiter in das Zimmer hinein. »Los!« krächzte er. »Worauf wartest du noch?« Er hob die Hand und schleuderte die Waffe auf den Teppich vor dem Sessel.
Er bekam keine Antwort.
»Los, sage ich!« brüllte Paul plötzlich unbeherrscht, »red doch! Sitz nicht einfach so herum! Sag was!«
Er wandte sich um, stürzte zur Tür und suchte nach dem Lichtschalter. Das Licht flammte auf.
Susann saß hochaufgereckt in dem Fellsessel und sah ihn an. Ihr Mund war halb geöffnet, als wollte sie ihm etwas sagen. Aber Susann konnte nichts mehr sagen.
Sie war tot.
Die Haare verdeckten die Wunde, und auch von dem schwarzen Pullover hob sich das Blut nicht ab. Nur der Kragen der weißen Lederjacke war dunkel.
Paul drehte sich um und wankte ins Badezimmer.
Er kam erst nach einer Viertelstunde wieder heraus und ging langsam, ohne zu dem Sessel hinzusehen, ins Schlafzimmer hinüber. Er riß die Decken vom Bett und zerrte ein Laken heraus, dann ging er zurück und breitete es über Susann. Neben dem Sessel lag ein Schlagring. Seine Kante war so rot wie der Teppich.
Paul schloß die Augen und taumelte in die Küche. Er riegelte sich ein und sank auf einen Stuhl. Vor seinen Augen wurde es plötzlich schwarz.
Über den Dächern färbte sich der Himmel allmählich grau, als Paul erwachte. Er lebte noch immer. Fred hatte ihn verfehlt und statt dessen Harald getroffen, aber er hätte ebensogut ihn töten können. So wie Susann.
Für die Polizei war der Fall klar. Er, Paul Petersen, hatte eingebrochen und danach seine Komplicen beseitigt. Streit unter Verbrechern war an der Tagesordnung. Entweder wegen der Beute, oder um Mitwisser zu beseitigen.
Aber die Beute war dortgeblieben. Hatte Susann deshalb nicht mehr mitmachen wollen? Weil sie sich um das Geld betrogen sah? Oder hatte sie der Mord erschreckt?
Wie hatte Fred sie wohl herumbekommen? Mit seinem Aussehen? Eher schon mit Geld, aber ... Paul hob
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