Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)
plötzlich den Kopf. Er stand auf, ging zum Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Milch heraus. Sie war eiskalt, und er trank gierig aus der Flasche.
Bertie hatte gesagt, sie wollten ihn umlegen. Halt, das stimmte nicht; er hatte gesagt: ausschalten. Das war etwas anderes ... Paul wurde es heiß. Er stellte die Flasche auf den Tisch.
Wenn es Absicht gewesen war? Wenn sie Susann erzählt hatten, sie wollten ihm nur eins auswischen, und sie könnte die ganze Beute haben, wenn sie mitspielte? Wenn sie aber in Wirklichkeit etwas anderes geplant hatten? Susann hatte ihn verraten, das war klar, aber Fred hatte es nicht auf das Geld abgesehen, sondern auf ihn. Und auf Harald. Paul erinnerte sich plötzlich, daß der erste Peterwagen schon gekommen war, bevor die Alarmsirene aufheulte. Vielleicht wieder der berühmte anonyme Anruf. Wie bei Bertie. Fred hatte gewartet, bis er, Paul, aus der Bank kam, hatte dann Harald vorgeschickt und ihn erschossen. Damit war der Totschläger von vor zwei Jahren beseitigt und der Mörder gleich dazugeliefert.
Paul, neben der Tasche mit dem Geld und der Leiche stehend. Die Pistole vor ihm auf der Straße.
Kein Gericht auf der ganzen Welt würde ihm seine Geschichte glauben. Sie glich zu sehr dem, was er auch vor zwei Jahren nach der Verurteilung behauptet hatte. Er hatte den Einbruch ausgeführt, er hatte sich die Pläne von Kodell besorgt, und niemand konnte für ihn aussagen, denn auch Susann war tot. Natürlich, denn zu ihr hätte die Spur geführt, falls er fliehen konnte ... Es war aus. Er war jetzt neunzehn. Sie würden ihn für strafmündig ... Rückfalltäter.
Lebenslänglich.
Paul stand auf. Wenn die Sache mit Bertie geklappt hätte, wenn die Polizei ihn dafür geschnappt hätte, dann würden Harald und Susann noch leben. Aber sie hatten nicht damit gerechnet, daß die Polizei die Todeszeit so genau feststellen würde. Nun, diesmal paßte jedenfalls alles. Keine Improvisation, sondern ein durchkalkulierter Plan. Es war wirklich schlau eingefädelt, viel schlauer, als er es Fred je zugetraut hätte. Zu Fred paßte eigentlich der brutale, direkte Weg besser.
Paul schloß die Küchentür wieder auf. Die Polizei würde nicht lange brauchen, um herzufinden. Und Fred würde inzwischen erfahren haben, daß sie Paul noch nicht hatten, und würde sich an der Jagd beteiligen. Vielleicht blieben ihm nur noch Minuten ... Paul fuhr herum.
Etwas hatte an der Wohnungstür geklappert.
Unbeweglich blieb er stehen. Im Treppenhaus entfernten sich Schritte. Mit zwei langen Sätzen war er im Flur.
Im Briefschlitz steckte die Morgenzeitung.
Paul nahm sie heraus; die Metallklappe fiel scheppernd zu. Er wollte die Zeitung schon achtlos weglegen, als ihm etwas einfiel. Er nahm sie mit in die Küche und legte sie auf den Tisch. Die Meldung war knapp und stand erst auf der dritten Seite. NEUE SPUREN IM HAFENMORD. Zuerst kam eine kurze Zusammenfassung, dann die Sensation:
Am Fundort der Leiche wurden Auto- und Fußspuren gesichert. Bei den Reifenabdrücken handelt es sich um einen Volkswagen, möglicherweise sogar um zwei verschiedene Autos dieser Marke. Die Schuhspuren, die deutlich zu dem Toten führen und dann zur Straße zurückleiten, haben die Größe 40, neues Gummiprofil, vermutlich Mokassinschnitt. Dazu paßt ein weiterer Hinweis: Anwohner der Elbchaussee meldeten gestern morgen beim Polizeirevier einen Fahrraddiebstahl. Das Fahrrad wurde an einem Zaun in der Bernadottestraße gefunden, und die Polizei untersuchte den Lenker nach Fingerabdrücken. Mit Erfolg: Paul Petersen (19), der eine zweijährige Gefängnishaft wegen Raubüberfall und Totschlag ...
Paul legte die Zeitung weg.
So schnell ging das also. Im Abendblatt würden sie schon ein Foto von ihm bringen, und dann würden sich die Verkäufer melden, bei denen er gestern gewesen war; Rundfunk und Fernsehen würden sich einschalten, und die ganze Bevölkerung konnte mitmachen. 1000 Mark Belohnung für den ersten Hinweis ... Fred hatte ganze Arbeit geleistet.
Paul riß das Küchenfenster auf. Vom Hafen her kam ein frischer Wind. Paul atmete die salzige Luft ein.
Konrads blieb ihm noch. Der Kapitän der Frederiksborg. Die Frage war allerdings, ob ein kleiner Einbrecher mit viel Geld für ihn das gleiche darstellte wie ein Mörder ohne Geld. Kaum – aber versuchen mußte er es.
Paul ging zurück ins Wohnzimmer und, mit abgewandtem Gesicht am Sessel vorbei, ins Schlafzimmer. Er suchte in den Schränken, fand aber nur Susanns
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