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Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition)

Titel: Tod in St. Pauli: Krimi Klassiker - Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Sachen, die ihm alle zu klein waren. Dann entdeckte er den Koffer oben auf dem Schrank. Er war alt und verschrammt und paßte nicht her. Paul packte den Griff und zog. Der Koffer war schwer.
    Er war bis obenhin mit Männersachen gefüllt. Hontars Koffer.
    Paul suchte sich eine Hose aus; sie war zu weit und zu kurz, aber er fand einen blauen Seemannssweater und eine Wollmütze. Paul ging ins Bad, wusch sich, klebte Pflaster auf die Schürfwunden und zog sich um.
    Er betrachtete sein Spiegelbild – einen Matrosen gab er noch nicht ab. Er ging wieder in das Schlafzimmer und kramte unter den Töpfen auf dem Schminktisch. Er fand ein kleines Porzellandöschen mit der Aufschrift Flüssiges Make-up SONNENGOLD. Er nahm es und ging zurück zum Spiegel.
    Sein Kinn war noch geschwollen, sein Bart zog sich wie ein dunkler Schatten zu den Ohren hinauf. Paul rieb sein Gesicht mit dem feuchten Wattebausch ein, bis es sich braun färbte. In den Schubladen fand er zwei Sonnenbrillen; es waren Damenbrillen, aber eine paßte einigermaßen. Dann suchte er nach der roten Brieftasche und fand sie. Er nahm die letzten beiden Hunderter heraus und schob sie zu dem restlichen Geld in die Hosentasche.
    Besten Dank! dachte er. Besten Dank für alles!
    Im Wohnzimmer blieb er kurz stehen und sah zu dem weiß abgedeckten Sessel hinüber. Die Pistole lag davor. Paul bückte sich, hielt aber auf halber Höhe inne und richtete sich auf. Mit einem Fußtritt beförderte er die Waffe unter die Couch und sah auf die Uhr. Es war halb fünf.
    Paul zog die Wohnungstür auf und spähte hinaus. Der Flur war leer. Paul rannte den Gang entlang, ohne ein Geräusch zu machen, erreichte die Treppe und lief hinunter. Vor der Eingangstür blieb er stehen und sah hinaus. Er konnte niemand entdecken und zog die Tür auf.
    Ein Mann hatte dicht neben der Tür gelehnt und warf sich ihm entgegen. Paul wich zurück; der andere taumelte an ihm vorbei, fiel auf die unterste Stufe und fing an zu schnarchen. Er roch nach Bier.
    Paul ging hinaus.
    Die Luft war kühl und angenehm. Der Himmel spannte sich silbern über den Dächern, deren oberste Spitzen schon in der Sonne leuchteten. Es würde schön werden heute. Ein strahlender Sommertag.
    An der Brauerei sah er den ersten Polizisten.
    Er lehnte lässig an der Mauer und schien sich nur über den neuen Tag zu freuen. Sie freuten sich zu zweit. Der andere saß im Streifenwagen und sprach in sein Funkgerät. Paul spürte, wie sein Magen sich wieder bemerkbar machte, und ging auf die andere Seite hinüber zu den Landungsbrücken hinunter.
    Vor dem Elbtunnel standen sie zu viert. Harmlose Polizisten.
    Paul blieb stehen und starrte auf den Hafen hinaus. Die Masten und Aufbauten der Schiffe schwankten im weißen Morgendunst hin und her. Irgendwo im Freihafen wurde jetzt die Frederiksborg zum Auslaufen fertig gemacht.
    Aber an den Piers standen schon die Polizisten. Ebenso wie am Bahnhof und an den Ausfallstraßen.
    Paul drehte sich um. Direkt hinter ihm war eine Telefonzelle. Sie war leer, die Glasscheiben waren beschlagen, und die Tür stand einen Spalt offen. Paul ging hinein, zog die Tür hinter sich zu und schlug das Telefonbuch auf.
    Es gab fast drei Seiten Ohlsens. Luise Ohlsen hatte die Nummer 38 12 70. Paul warf zwei Zehner ein und wählte.
    Das Freizeichen tutete hoch und weit entfernt. Dann klickte es.
    »Ja, hallo?« Die Stimme klang atemlos, und im ersten Moment konnte er nicht unterscheiden, wer sprach.
    Es war das Mädchen.
    »Wer ist denn da?« fragte sie leise.
    »Ich bin es ...« Paul schluckte, seine Hand verknautschte einen Packen Seiten im Telefonbuch.
    »Ja?« Sie flüsterte.
    »Ich wollte Ihnen nur sagen ...« Paul nagte an seiner Unterlippe. Verschwommen sah er, daß jemand vor dem Häuschen wartete. »Ich habe es nicht getan!« schrie er. »Ich war es nicht!«
    Zuerst dachte er, sie hätte eingehängt, aber nach einer Pause kam ihre Stimme wieder. Sie war kühl und unpersönlich. »Nein, tut mir leid, hier ist nicht Fenderburg. Sie sind falsch verbunden.«
    Paul runzelte die Stirn, er wollte schon auflegen, als sich eine Männerstimme meldete:
    »Bitte, wer spricht dort?«
    Paul legte den Hörer auf. Polizei. Also waren sie dort auch schon ... Kulmhof würde einiges abbekommen. Und das Mädchen – sie hatte ihn doch tatsächlich gewarnt! Paul lächelte bitter und stemmte die Drehtür auf.
    Vor der Zelle standen breitbeinig Fred und Walter.

32
    Paul blinzelte. Die Sonne funkelte auf dem Wasser, und er sah

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