Tod in Wacken (German Edition)
geben …«
»Keine Hektik.« Das verbindliche Lächeln des Sanitäters blieb. »Wir sind doch nicht auf der Flucht.« Er ging zu einer jungen Frau in roter Hose und weißem Shirt und sprach mit ihr.
Cornelias Blick wanderte durch das Zelt. Trennwände schufen separate Räume. Ganz vorn gab es eine Wand mit allerlei Plänen und Listen. Ein Sani nahm gerade eine Eintragung vor, nachdem er einen Karton mit Verbandsmaterial auf dem Tisch davor abgestellt hatte.
Cornelias Blick verharrte einen Moment auf dem Megaphon, das auf dem Tisch stand. Welchen Zweck mochte es hier erfüllen? Ganz kurz kam der Gedanke hoch, es einfach mitzunehmen, über das Gelände zu laufen und Andy damit auszurufen. Damit würde sie ihn vielleicht erreichen.
»So, dann wollen wir uns mal Ihre Verletzung ansehen.« Eine schwarzhaarige Sanitäterin stand lächelnd neben ihr und griff nach ihrer Hand. »Na, da reicht ein Pflaster aber nicht aus. Ein Arzt wird gleich einen Blick darauf werfen.«
»So schlimm ist es nicht«, wehrte Cornelia ab. »Sie haben hier bestimmt ganz andere Fälle, oder?«
»Wir haben hier alles«, lächelte die junge Frau. »Vom Sonnenbrand bis zum Wespenstich, und von Flüssigkeitsmangel«, sie griente, »und damit meine ich Wasser, bis hin zum Flüssigkeitsüberschuss.«
»Und damit meinen Sie nicht Wasser«, versuchte Cornelia ein schiefes Grinsen, weil ihr nicht zum Lachen war.
Die Sanitäterin machte Platz für den Arzt. Er betrachtete Cornelias Hand und reinigte die Wunde. »Halb so wild. Wir müssen nicht nähen. Die nette Kollegin hier macht Ihnen einen hübschen und strammen Verband.« Er zwinkerte der Sanitäterin und Lyn mit einem charmanten Lächeln zu und verschwand hinter der Trennwand.
»So, jetzt sind Sie wieder fit zum Feiern«, sagte die Sanitäterin, als Cornelia verarztet war. Dabei warf sie einen sehnsüchtigen Blick aus dem Zelteingang. »Ich wünschte, ich könnte auch nur zu meinem Vergnügen hier sein. Ich beneide Sie.«
»Beneiden?« Cornelia lachte unamüsiert auf. »Das sollten Sie nicht.«
Sie stand auf und ging mit einem »Dankeschön« hinaus in ihre persönliche Hölle.
* * *
Als Lyn am Wewelsflether Topkauf-Markt abbog, um ihren Stammparkplatz am Friedhofstor einzunehmen, parkte dort ein uralter grüner Renault Clio mit rot lackierter Fahrertür und einer mächtigen Beule am Kotflügel.
»Shit!« Ausgerechnet heute war alles zugeparkt. Sie fuhr rückwärts aus der Ministraße heraus und parkte direkt vor dem Supermarkt. Ihr Blick glitt über die Grabreihen, während sie zu ihrem Haus lief. Abrupt blieb sie stehen. »Miezi! Pfui!« Mit drei Schritten war sie bei dem großen Familiengrab direkt vor ihrer Haustür. Aber die Katze hatte ihr Geschäft gerade beendet und scharrte mit den Pfoten einen Hauch der frisch geharkten Erde darüber.
Lyn packte sie im Genick. »Wenn du schon auf die Gräber kackst, solltest du dir etwas mehr Mühe geben, das Corpus Delicti verschwinden zu lassen.« Sie setzte sie vor der Haustür ab. Die Katze würdigte sie keines Blickes und sprang auf die kleine Fensterbank vor dem Küchenfenster.
»Hallo, einer zu Hause?«, rief Lyn, nachdem sie die Haustür aufgeschlossen hatte. Es kam keine Antwort, aber im Obergeschoss war laute Musik zu hören. Sie schlüpfte noch auf dem Flur aus den Schuhen und der Hose, stopfte die Hose in die Waschmaschine und ging die Treppe hinauf. Sophies Zimmertür stand offen, aus Charlottes Zimmer kam die Musik. Lyn klopfte kurz und öffnete die Tür.
»Hallo, Lotte. Kannst du bitte Miezis Hinterlassenschaften von unserem Vorgartengrab samm–« Lyn brach erschrocken ab, als sie im Zimmer stand.
Zwei Augenpaare starrten sie an. Das eine wütend, das andere eher interessiert.
»Kannst du nicht klopfen?«, fauchte Charlotte ihre Mutter an und sprang vom Bett auf.
»Ich habe geklopft«, sagte Lyn, ohne ihre Tochter anzusehen, »aber die laute Musik …« Ihr Blick ruhte auf dem Jüngling mit dem nackten Oberkörper. Sie schluckte, als er jetzt aufstand. Dieser … dieser Schrank war Max? Er sah eher aus wie Nibelungen-Siegfried.
»Hallo. Äh … ich bin Max«, bestätigte Siegfried Lyns Annahme, griff nach seinem T-Shirt auf dem Boden und streifte es schnell über. Seinen strohigen Blondhaar-Pferdeschwanz zog er aus dem Ausschnitt.
»Schön, dass Max mit dir auch gleich deinen Slip kennenlernt«, giftete Charlotte Lyn an, während sie begann, die Knöpfe ihrer offenen Bluse zu schließen.
Slip? Lyns Wangen färbten
Weitere Kostenlose Bücher