Tod in Wacken (German Edition)
Das hat mir gestern jedenfalls ein Kumpel erzählt.« Unsicher knetete Andreas seine Finger.
Wilfried beantwortete die Frage nicht, sondern fragte: »Hatten Sie am Wochenende des Wacken Open Air im vergangenen Jahr zusammen mit Thomas Lug und Henning Wahlsen das Gartenhaus von Werner Schwedtke gemietet?«
»Äh, ja. Wieso?«
»Henning Wahlsen wurde ebenfalls ermordet.«
Andreas Stoblings Augen wurden riesengroß. »Nee! Der Henning? Der Henning auch? Was … wieso …?«
»Herr Stobling, kannten Sie Judith Schwedtke?«
»Ja. Ja, klar. Die Tochter vom Werner. Ich hab gehört, dass sie auch … dass sie tot ist.«
»Sie haben anscheinend eine ganze Menge gehört von Menschen, die tot sind, Herr Stobling, und die Sie gut gekannt haben.« Wilfrieds Stimme hatte an Schärfe zugenommen. »Herr Stobling, Judith Schwedtke wurde am ersten Augustwochenende letzten Jahres im Gartenhaus ihres Vaters vergewaltigt. In diesem Zusammenhang erhalten Sie jetzt von mir eine Belehrung über Ihre Rechte. Dann können Sie entscheiden, ob Sie einen Anwalt hinzuziehen möchten oder nicht.«
Andreas Stobling wurde blass. »Ich? Was … was soll das? Scheiße, was läuft hier?«
Wilfried sah unwillig zur Tür, als es klopfte. Hendrik steckte seinen Kopf herein. »Sorry, aber … Lyn, du musst bitte mal rauskommen. Es ist dringend.«
»Was ist denn los?«, fragte Lyn, nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
»Dieser Dr. Grenardi aus dem Krankenhaus hat gerade angerufen. Timo Grümpert will dich unbedingt sprechen. Der Doktor hat es dringend gemacht. Der Junge scheint völlig von der Rolle zu sein.«
»Holla!« Lyn schnalzte mit der Zunge. »Jetzt geht’s aber ab mit den Informationen. Ich fahre gleich los.«
»Was sagt Stobling?«, fragte Hendrik und nickte Richtung Tür.
»Wilfried tastet sich gerade vor. Ich kann Stobling, ehrlich gesagt, nicht einschätzen.«
* * *
»Ich bin hin- und hergerissen. In diesem Moment überlege ich noch, ob ich Sie zu dem Patienten lasse oder nicht.« Die Mundwinkel von Dr. Grenardi waren missmutig nach unten verzogen.
Lyn klappte der Mund auf. Die Bulldogge zitierte sie hierher und machte jetzt, mit verschränkten Armen vor Timos Krankenzimmertür, auf Zerberus?
»Sein Zustand ist instabil«, fuhr der Arzt fort. »Wozu seine hysterische Mutter ihren Teil beigetragen hat. Die Schwester war gezwungen, sie aus dem Zimmer zu … bitten. Aber ich fürchte, wenn ich seinem ausdrücklichen Wunsch, Sie zu sprechen, nicht nachgebe, wird es auch nicht zu seinem Vorteil gereichen. Also, bitte. Aber vermeiden Sie jede Aufregung.« Er trat zur Seite.
Timo Grümpert lag ruhig da, seinen Kopf dem Fenster zugewandt. Schlief er?
Lyn trat neben sein Bett. Er schlief nicht, sondern starrte hinaus in den Himmel, obwohl er gemerkt haben musste, dass jemand das Zimmer betreten hatte. »Hallo, Timo.«
Er erwiderte ihren Gruß nicht, als er sich ihr zuwandte. Es war eine schwerfällige Bewegung, als ob er seinen Kopf zwingen müsste, sich vom Fenster abzuwenden. Noch immer sagte er nichts.
»Ich werde nicht fragen, wie es dir geht«, sagte Lyn. Das Du war über ihre Lippen, bevor sie auch nur darüber nachdenken konnte. Es mochte daran liegen, dass er in seiner Blässe und Lethargie so kindlich aussah. »Ich sehe, dass es dir nicht gut geht. Und ich wäre auch noch nicht hier, wenn du nicht darum gebeten hättest.«
Als er immer noch nichts sagte, fügte sie hinzu: »Und wenn du möchtest, werde ich jetzt wieder gehen, Timo.«
Er wandte seinen Kopf wieder dem Fenster zu.
Lyn wartete, aber die Minuten zogen sich endlos dahin, ohne dass ein Ton über seine Lippen kam. Sie war im Begriff zu gehen, als seine Stimme plötzlich erklang.
» Ti amo , Timo. Das hat sie immer gesagt. ›Nur ein kleines A in deine Mitte, und schon heißt du: Ich liebe dich‹.« Er sah Lyn an. »Verstehen Sie? Aus Timo wird Ti amo .«
Lyn lächelte. »Ja, das habe ich schon verstanden. Es … es ist ein sehr schönes Wortspiel. Von Judith?«
Er nickte. »Ich höre ihre Stimme im Traum.«
»Du hast sie sehr lieb gehabt.«
Der dicke Kloß in seinem Hals war unüberhörbar, als er ein »Ja« gluckste.
Lyn zog sich den einzigen Stuhl im Zimmer heran und setzte sich. »Ich bin ein guter Zuhörer. Erzähl mir von Judith.«
Er musterte ihr Gesicht. »Nein.«
»Okay.« Lyn ließ sich ihre Enttäuschung nicht anmerken. »Das ist okay, Timo.«
Er drehte sich wieder und starrte die Decke an. »In meinen Träumen …
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