Tod in Wacken (German Edition)
Cornelia einen Schauder über den Rücken.
Er nahm die Spritze zwischen Zeige- und Mittelfinger, sein Daumen lag auf dem Kolben. »Ein falsches Wort, und ich pumpe den Inhalt erneut in Sie hinein. Mit einem Unterschied: Bei dieser Dosierung gibt es kein Erwachen.«
Ihr Herz begann zu rasen. Dieser Mann stieß keine leeren Drohungen aus. Was sollte, was konnte sie tun? Sie wollte nicht sterben!
Aber Andy sollte auch nicht sterben. Sie begann hysterisch zu schluchzen. Sie würden beide sterben. Dieser Mann war eiskalt.
»Wir werden dieses Gespräch jetzt üben«, sagte er. »Ich will keinen Fehler hören. Aber ich werde Ihnen auch keinen exakten Text vorgeben. Wir wollen schließlich nicht künstlich klingen, nicht wahr?« Er lächelte. »Denn Sie und ich wollen doch, dass Ihr Bruder nichts merkt. Es wäre schade um Ihr Leben.« Seine Finger strichen fast zärtlich über ihre Wange. »Es ist Ihr einziges.«
Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. Sie versuchte, die Tränen wegzublinzeln. »Aber … er … er wird merken, dass etwas nicht stimmt, wenn ich mich nicht weiter mit ihm unterhalte. Normal unterhalte.«
Sie sah förmlich, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Wut sprach aus seinen Augen, als er nach ihrem Handy griff. »Dann seien Sie normal, wenn Sie leben wollen.« Seine linke Hand mit dem Zettel zuckte vor ihrem Gesicht, bevor er ihn auf ihren Schoß legte.
Leise murmelte sie die Worte, die er stichpunktartig aufgelistet hatte, vor sich her.
»Ich bin in Burg, ein kleiner Ort ganz in der Nähe – wunderbare Überraschung für dich – du musst unbedingt kommen – Treffpunkt ist die Hütte in der Straße Paradiestal 7 um achtzehn Uhr – du wirst es nicht bereuen – bitte verdirb es nicht.«
»Und ich möchte eine freudige Stimme dazu«, sagte er, als sie ihn wieder ansah.
Cornelia schluckte. In einem Ort namens Burg waren sie also. Sie hatte noch nie davon gehört. Und sobald Andy hierherkäme, und das würde er mit Sicherheit tun, weil sie ihn darum bat, würde er sterben. Doch wie konnte sie ihn warnen, ohne selbst zu sterben? Todesangst ließ ihren Blick zu der Spritze in seiner Hand wandern. Dies war kein Film und auch kein Roman, in dem die taffe Heldin sich weigerte, das zu tun, was der Peiniger verlangte. Sie … sie war nicht taff. Sie wollte nicht sterben.
»Ich … er … er wird den Hund mitnehmen wollen. Dann … dann fährt er erst nach Hamburg. Buffy ist bei meiner Nachbarin. Dann … wird er erst einen Tag später kommen.«
Er starrte sie an, als würden sich im Sekundentakt Pestbeulen in ihrem Gesicht ausbreiten und aufplatzen. »Dann sagen Sie ihm, dass er den Hund lassen soll, wo er ist!«, schrie er. »Verstanden? Und jetzt will ich nichts mehr hören!«
Hysterie klang durch seine Stimme, und sie sah, wie seine Finger, in denen er die Spritze hielt, bebten. Eine eisige Hand wühlte in ihrem Magen. Er war kurz davor, die Nerven zu verlieren. Und das wäre ihr Ende.
»Okay«, sagte sie, und versuchte, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Okay. Ich bin so weit.« Sie sprach den Text mehrere Male, bis er zufrieden war.
»Dann … dann können Sie mich jetzt losbinden und mir das Handy geben«, sagte sie so ruhig wie möglich. »Ich rufe meinen Bruder an.«
Sein Blick blieb auf der Spritze verhaftet. Die Finger seiner linken Hand zerquetschten erneut etwas Imaginäres.
Cornelia schluckte. Er war sich eindeutig nicht sicher, ob dies der richtige Weg war, um an ihren Bruder zu kommen. Weil sie ihre Stimme nicht gut genug unter Kontrolle hatte. Sie hatte sich bemüht, aber die Angst ließ sich nicht einfach auslöschen. Cornelia wusste, dass sich in diesen Sekunden entschied, ob er mit oder ohne sie zu seinem Ziel – dem Tod ihres Bruders – gelangen wollte.
»Also gut«, sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit. Er griff nach dem Handy, wählte die Nummer und hielt den Hörer an sein Ohr.
Cornelias kleine Hoffnung, er würde ihre Hände losbinden, hatte sich damit zerschlagen. Er hielt ihr den Zettel vors Gesicht. »Nur die vereinbarten Stichworte«, schickte er leise zischend hinterher.
»Und die Bitte mit dem Hund?«
Er nickte. Und lauschte.
Auch Cornelia lauschte. Sie hörte das Freizeichen durch ihr Herzklopfen hindurch.
Bitte, Gott, lass Andy rangehen, und nicht jemand anderes!
Wem auch immer dieses Handy gehörte, mit dem Andy sich gemeldet hatte, derjenige durfte – bitte, bitte – nicht das Gespräch annehmen. Cornelia war sich sicher, dass
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