Tod ist nur ein Wort
konnten sich ändern, und Flugzeuge konnten Verspätungen haben, wie er nur zu gut von dem Debakel im Hotel Denis erinnerte. Wenn die Underwoods rechtzeitig gelandet wären, hätte er Chloe in Sicherheit bringen können, bevor die Schießerei begann.
Er hätte dabei umkommen können, aber das war ein geringer Preis. Leben und Tod spielten schon lange keine Rolle mehr.
Er ging zurück in das unaufgeräumte Wohnzimmer, wo Chloe in tiefem Schlaf auf dem Sofa lag. Über einem Stuhl hing eine leuchtend bunte Decke, die er über sie breitete. Ihr Haar war jetzt länger, doch sie war noch immer nicht beim Friseur gewesen. Sein geübtes Auge erkannte, dass es noch derselbe Schnitt war, den sie sich unter seiner Beobachtung verpasst hatte. Und er sollte verdammt sein, wenn der ihm nicht noch immer gefiel.
Mittlerweile hatte er die Tatsache akzeptiert, dass ihm viel zu viel an ihr gefiel. Weshalb er auch nicht wieder in ihr Leben hatte treten wollen. Doch er hatte keine Wahl gehabt.
Er ging zum Fenster und blickte hinaus in die Dämmerung. Bei seiner ersten Erkundung hatte er entdeckt, dass sie in dem Gästehaus nebenan wohnte. Er hatte das Licht und den Fernseher dort angemacht, die Jalousien geschlossen und eine kleine Überraschung für die Eindringlinge arrangiert. Die würde sie nicht lange aufhalten, doch jede Minute konnte über Leben und Tod entscheiden.
Sie waren in Kanada gelandet – mit Anführer waren sie zu fünft. So viel hatte Jensen ihm noch mitteilen können, bevor der Kontakt abgebrochen war. Ab jetzt musste Bastien also improvisieren.
Es gab jede Menge Computer im Haus, doch er war klug genug, sie nicht zu benutzen. Ohne die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen könnte ihn sonst jeder auf der Welt aufspüren. Sein Handy war da sicherer, wenn auch nicht hundertprozentig. Nach ein paar Minuten wusste er, dass sie zumindest innerhalb der nächsten acht Stunden wohl nicht auftauchten. Allerdings würden unerwartete Naturgewalten seine Gegner nicht allzu lange aufhalten können.
Hatte er Zeit genug, sie hier rauszubekommen? Das war die Frage. Wahrscheinlich waren sie in dieser Minifestung sicherer, zumal seit er das Sicherheitssystem verbessert hatte. Draußen änderte sich die Situation ständig, und sie konnten nicht ewig auf der Flucht sein. Ihre Familie würde früher oder später zurückkehren, und mochten die Leute ihm auch egal sein, ihr bedeuteten sie etwas. Um ihretwillen musste er also dafür sorgen, dass auch sie überlebten. Und das bedeutete, sich dem Problem hier und jetzt zu stellen.
Das Wohnzimmer war zu ungeschützt, und sie würde noch für Stunden außer Gefecht sein. Mit sehr viel Glück bliebe sie bis zum Ende bewusstlos und müsste niemals von der ganzen Sache erfahren. Wenn sie aufwachte, wäre er lange fort und die Gefahr vorüber.
Der einzige Nachteil war, dass er dann das Collier mitnehmen musste, und aus irgendeinem Grund war es ihm wichtig, dass es in ihrem Besitz blieb. Doch wenn er es bei ihr ließ, würde sie sich immer fragen, wann er wohl wieder auftauchte. Zu viel Risiko für eine sentimentale Geste.
Der strategisch beste Ort war ein Schlafzimmer zur Hinterseite des Hauses im zweiten Stock. Es war nicht zu hoch, um zu springen, und hatte den Vorteil, dass er von dort das abschüssige Gelände beobachten konnte. Ein kleiner Vorteil, aber der einzige, den er hatte. Er hob sie vom Sofa, wobei er wieder staunte, wie leicht sie geworden war, und trug sie hinauf. Er legte sie auf das große Doppelbett und öffnete das Fenster einen Spalt. Sie wirkte blass und verfroren, sogar in den dicken unförmigen Klamotten, die keine Französin jemals tragen würde, und er zog die Bettdecke unter ihr vor und deckte sie damit sorgfältig zu.
Einen Moment stand er nur da und sah auf sie hinunter. Aus einem Impuls heraus strich er ihr das zerzauste Haar aus der Stirn. Sie sah unverändert aus – widerspenstig und hübsch, obwohl es in seinem Leben keinen Platz für etwas Hübsches gab, und er beugte sich hinunter, um sie sanft zu küssen, während sie schlief.
Und dann konnte er nichts mehr tun, außer zu warten.
Zu warten, bis Monique kam, um sie zu töten.
23. KAPITEL
A ls sie die Augen öffnete, war sie benommen und verwirrt. Der Raum war dunkel bis auf das helle Mondlicht, das durch die Fenster drang, und einen Moment lang wusste sie nicht, wo sie war. Langsam orientierte sie sich … Sie war im hinteren Gästezimmer, das normalerweise ihr älterer Bruder und seine Frau benutzten.
Weitere Kostenlose Bücher