Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
lassen.«
»Warum?«, fragte Wiebke wie aus der Pistole geschossen.
»Weil mein Ubbo keiner Fliege was zuleide tun kann.«
Wiebke zückte ihren Notizblock und ließ sich die Adresse der Wohnung geben, in der sich Bente Harmsen immer mit ihrem Geliebten zum Schäferstündchen getroffen hatte. Danach nickte sie Petersen zu, der offenbar auch keine weiteren Fragen hatte.
Er erhob sich. »Vielen Dank für das offene Gespräch«, sagte er freundlich und sah Bente Harmsen dabei zu, wie sie den Zigarettenstummel im Aschenbecher ausdrückte. »Eine letzte Frage noch: Wo vermieten Sie Ihre Ferienwohnungen?«
»Na, hier auf Nordstrand.« Bente Harmsen nannte ihm die Adresse des Hofes.
»Gut. Danke also.« Petersen gab Wiebke ein Zeichen. Sie erhob sich ebenfalls und folgte ihm ins Freie.
Sechs
»Und, was hältst du nun von ihr?«, fragte Wiebke, als sie vor dem Möwennest standen. Petersen war stehen geblieben und zündete sich jetzt selber eine Zigarette an. Möwen kreischten über ihren Köpfen. Das Wasser ging zurück, und die ersten Touristen stiegen in ihre Autos und traten den Heimweg in ihre Feriendomizile an. Westwind fegte ins Landesinnere. Erste Wolken zogen auf und tauchten die Halbinsel in ein faszinierendes Licht. Wiebke betrachtete die Wolkengebilde, die sich über Nordstrand auftürmten. Sie liebte das Wetter in diesem Landstrich.
»Willst du das ehrlich wissen?«
»Sonst würde ich nicht fragen.«
»Ich als Kerl kann diesen Klaus Georgs verstehen. Der Mann war über beide Ohren verliebt, und sie fühlt sich in die Enge getrieben und trennt sich von ihm, obwohl sie nichts erwartet als die heimische Hölle. Für ihn hat das Leben plötzlich keinen Sinn mehr, also zieht er einen Schlussstrich.« Petersen setzte sich den Zeigefinger an die Schläfe und symbolisierte so den tödlichen Schuss.
»Der männliche Beschützerinstinkt, was?« Wiebke musste schmunzeln. »Und wenn ihr nichts mehr zum Beschützen habt, ist der Lebenssinn gleich futsch?«
»Nenn es, wie du willst.« Er winkte amüsiert ab. »Aber ich hatte mal so was Ähnliches laufen.«
»Das hätte ich dir gar nicht zugetraut«, bemerkte Wiebke.
»Du kennst meine sanfte Seite noch gar nicht«, mokierte er sich mit bierernster Miene. »Aber das ist auch nicht Bestandteil unserer Ermittlungen. Was schlägst du vor?«
Sie waren zum Parkplatz weitergegangen. Wiebke deutete auf den Dienstwagen. »Zum Hof der Harmsens natürlich, was dachtest du denn?«
»Danke, mehr wollte ich gar nicht hören.« Grinsend schnippte Petersen den Zigarettenstummel fort und stieg ins Auto. Der Weg führte über einsame Landstraßen, die teils schnurgeradeaus über die Halbinsel verliefen. Ab und zu bremste sie ein gemächlich dahinschleichendes Wohnmobil aus, das Petersen aber bei nächster Gelegenheit überholte. Unterwegs telefonierte er mit Johannsen und bat ihn, den Namen Klaus Georgs zu überprüfen. Vielleicht gab es eine Spur, die zu der Identität des Toten führte.
Der Hof der Harmsens lag auf dem Weg zur Fähre nach Pellworm. Unübersehbar, weil durch ein großes, gemaltes Holzschild angekündigt, ging es zum Harmsen-Hof über einen unbefestigten Seitenweg weiter. Petersen drosselte das Tempo. Im zweiten Gang lenkte er den Wagen auf die Zufahrt, die von einem hölzernen Willkommen -Schild flankiert wurde. Rechts und links lagen Pferdekoppeln. Im Hintergrund der Deich, auf dem Schafe weideten. Heile nordfriesische Welt für Touristen, dachte Wiebke. Hier fühlten sich kleine Mädchen aus der Stadt im Urlaub wahrscheinlich pudelwohl.
Unwillkürlich dachte sie an ihren eigenen Vater, der im fernen Wuppertal selber als Kriminalhauptkommissar seinen Dienst verrichtete und der Familie damals kaum eine Auszeit gegönnt hatte. Wiebke nahm sich vor, es eines Tages besser zu machen als ihr Vater, den sie schon seit zwanzig Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Irgendwann war es ihrer Mutter zu bunt geworden: Norbert Ulbricht war mehr mit seinem Beruf verheiratet als mit ihr, und so hatte sie ihn frustriert verlassen und war nach Nordfriesland ausgewandert, wie sie es genannt hatte. Wiebke war im fast kriminalitätsfreien Norden der Republik aufgewachsen und hatte sich trotz aller Vorurteile der Mutter für eine Karriere im Polizeidienst entschieden.
Erst viel später hatte sie erfahren, dass Mutter einen Geliebten in Nordfriesland gehabt hatte. Seinetwegen hatte sie die Schwebebahnstadt mit ihrer Tochter verlassen und unweit der dänischen
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