Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
im Leben unseres Mister X gab. Und nun stehe ich vor der Frage, ob der ehrenwerte Klaus Georgs vielleicht einem angesehenen Beruf nachging, verheiratet und vielleicht ein fürsorglicher Vater war.«
»Und selbst wenn, dann dürften seine Kinder aus dem Gröbsten heraus sein, denn er war Mitte vierzig, Mädchen.«
»Das hat nichts zu heißen«, widersprach Wiebke. »Aber immerhin muss er über eine zweite Identität verfügt haben. Wenn das stimmt, was wir von Bente Harmsen erfahren haben, dann ist für ihn eine Welt zusammengebrochen, als sie sich von ihm getrennt hat. Nicht umsonst hat er ihr auch weiterhin nachgestellt, ihr SMS und E-Mails geschickt.«
»Könntest du dir vorstellen, dass sie ihn erschossen hat, weil er ihr lästig wurde?«
»Eigentlich nicht.« Wiebke schüttelte den Kopf. Sie hatte bei Bente Harmsen das Bild einer starken Frau vor sich, die sich, enttäuscht von den Demütigungen, die sie täglich in der Ehe erfuhr, in ein amouröses Abenteuer geflüchtet hatte, das ihr schließlich über den Kopf gewachsen war. »Sie hat nicht den Mut aufgebracht, Ubbo zu verlassen und mit Klaus Georgs ein neues Leben zu beginnen. Reumütig ist sie zu dem alkoholkranken und arbeitsscheuen Mann zurückgekehrt, mit dem sie sich so viel aufgebaut hatte.«
»Andererseits hat sie sich von einem Mann getrennt, der offenbar eine Schraube locker hatte«, gab Petersen zu bedenken. »Das ist doch auch mutig, oder?«
»Vielleicht sollten wir den Medien ein Foto von ihm zur Verfügung stellen. Niemand scheint ihn ernsthaft zu vermissen«, überlegte Wiebke.
»Ich werde mit Dierks sprechen, er soll das mit den Flensburgern klarmachen«, versprach Petersen. Er drosselte das Tempo, setzte den Blinker und bog rechts in eine kleine Seitenstraße ab. »Gleich sind wir bei Hinrichsen, und vielleicht hat er einen heißen Tipp für uns.«
Elf
»Wann kann ich mit dem Geld rechnen?« Ellen Budde wanderte mit dem schnurlosen Telefon am Ohr durch die Wohnung. Am Wohnzimmerfenster blieb sie stehen, sah der alten Utke als dem ersten Stock zu, wie sie die Wäsche von der Leine nahm, trat einen Schritt zurück und setzte die Wanderung fort.
»Ich tu, was ich kann, aber du weißt, wie schlecht es aussieht.«
»Und ich möchte dich nicht unter Druck setzen, aber du weißt, dass ich um jeden Euro verlegen bin«, erwiderte Ellen und strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. Heute hatte sie ein Schreiben der Bank im Briefkasten gehabt. Man bat schnellstens um einen Ausgleich des Saldos, der sich bereits seit Langem im Minus befand, ansonsten würde man ihr das Konto kündigen. Was das für Folgen hatte, darüber wollte Ellen augenblicklich gar nicht erst nachdenken. Sie war mit der Miete zwei Monate im Rückstand. Schon jetzt wagte sie sich kaum auf die Straße, stets hatte sie Angst, dem Vermieter über den Weg zu laufen, der sie mit einer Mischung aus Spott, Vorwurf und Lüsternheit anstarrte. Ellen fragte sich, wann er die Hemmung verlöre und das aussprechen würde, was er wohl schon lange dachte: sie auffordern, mit ihm zu schlafen, damit er seine Mietforderungen vergaß. Dabei war Jensen ein alter, fetter Sack, der nichts anderes zu tun hatte, als seine Mieter zu beobachten, ja, zu observieren. Dass er dabei unter der Fuchtel seiner Frau Käthe stand, einer alten hysterischen Kuh, die irgendwann aus Nordrhein-Westfalen in den Norden gekommen war, verdrängte Jensen in solchen Augenblicken.
Er hatte Ellen schon so seltsam angeschaut, als er sie beim Besichtigungstermin durch die Wohnung an der Mommsenstraße geführt hatte. »An der Miete können wir sicher noch etwas machen«, hatte er feist gegrinst und sie wie ein Stück Fleisch betrachtet. Am liebsten hätte sie ihm damals eine gescheuert, und nur ihre gute Erziehung hatte ihr verboten, Jensen in seine Schranken zu weisen. Inzwischen hatte sie es schon mehrfach bereut, hier eingezogen zu sein. Sie traute sich kaum noch, im Sommer mit einem luftigen Kleid oder gar einem kurzen Rock und im knappen Top aus dem Haus zu gehen, da Jensen immer irgendwo auf der Lauer lag und sie lüstern angaffte.
»Ich werde noch heute mit Ubbo sprechen und sehen, was wir tun können«, hörte sie Bentes Stimme wie durch Watte an ihr Ohr dringen.
»Danke.« Ellen hoffte, dass Ubbo Harmsen noch nicht zu betrunken war, um mit seiner Frau über die miese finanzielle Situation der Angestellten nachzudenken. Die beiden steckten in Schwierigkeiten, und lange hatte
Weitere Kostenlose Bücher