Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Augenblick lang stand er einfach da, genoss die Stille und sog die frische Luft tief in seine Lungen ein. Es war, als würde er innehalten, um Kraft zu tanken, die er aus der Umgebung schöpfte. Dann ging ein Ruck durch seine athletische Erscheinung. Hinrichsen machte auf dem Absatz kehrt. Im Haus suchte er zunächst sein Arbeitszimmer auf, sank hinter den Schreibtisch und dachte auch hier einige Sekunden nach, bevor er zum Telefon griff und eine Nummer wählte, die er nirgendwo abgespeichert hatte. Während er dem Freizeichen lauschte, trommelte er nervös auf der Tischplatte herum.
Erst nach dem fünften Tuten meldete sich sein Gesprächspartner. Ohne seinen eigenen Namen zu nennen, kam Hinrichsen auf den Grund seines Anrufes zu sprechen. »Die Polizei war eben hier und hat mir ein paar Fragen zu ihm gestellt.«
»Was sollen wir tun?«
»Jedenfalls dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen und abwarten. Ich will auf gar keinen Fall, dass etwas nach draußen sickert.«
»Ich werde mich darum kümmern«, versprach der Mann am anderen Ende der Leitung.
»Gehen Sie dezent vor, ich will nicht, dass Sie sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführen«, warnte Hinrichsen. Seine Kieferknochen mahlten.
»Sie können sich auf mich verlassen. Die Polizei wird keine Interna erfahren, dafür werde ich sorgen. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden, wenn die Ermittler noch einmal auftauchen.« Ohne Hinrichsens Antwort abzuwarten, hatte der Mann am anderen Ende der Leitung die Verbindung unterbrochen.
Hinrichsen war ihm nicht böse deshalb, denn er hatte sich klar genug ausgedrückt. Und auf seine Leute konnte sich Paul Hinrichsen in der Regel verlassen.
Dreizehn
In der Polizeiinspektion an der Poggenburgstraße herrschte trotz später Stunde noch Hochbetrieb, und Dierks hatte alle Kollegen zusammengetrommelt, um die Ergebnisse des Tages zusammenzutragen. Frisch wirkte niemand mehr, und jeder freute sich auf einen ruhigen Feierabend. Trotzdem fieberten alle der Lösung des rätselhaften Falles entgegen; sogar die Kollegen aus Flensburg waren noch anwesend. Dierks übergab nach einer Begrüßung das Wort wieder an Jan Petersen. Er berichtete mit wenigen Sätzen, was sie am ersten Tag der Ermittlungen in Erfahrung gebracht hatten, lehnte dabei lässig mit dem Hintern auf der Fensterbank.
»So«, schloss er dann und blickte in die Runde. »Und jetzt ihr, Leute.«
Mara Imken räusperte sich. Sie drückte den Rücken durch und rückte ihre Brille zurecht. »Wir haben inzwischen das Videomaterial des Hotels gesichtet, in dem Bente Harmsen und ihr Liebhaber abgestiegen sind.« Sie nickte Dierks zu, der emsig aufsprang und den Raum abdunkelte.
Er klappte einen Laptop auf und schaltete den Beamer ein, klickte sich durch die Programme und startete die Aufzeichnung. Die Qualität war mäßig und zeigte lediglich Schwarzweißbilder in einer recht groben Auflösung. Doch es genügte, um Bente Harmsen wiederzuerkennen. An ihrer Seite befand sich Klaus Georgs. Gemeinsam traten sie an die Rezeption des Hotels und checkten ein. Die Kamera befand sich hinter der Empfangsdame, so dass die Betrachter den Gästen direkt ins Gesicht blicken konnten. Es hatte etwas Bizarres für Wiebke, den Mann, den sie tot im Strandkorb auf Nordstrand gesehen hatte, nun lebendig zu erleben.
Unwillkürlich hatte sie die letzten Bilder der bei einem Autounfall in Paris verunglückten Lady Diana vor Augen. Am 31. August 1997 hatte Wiebke zuerst an einen makabren Scherz geglaubt, als die Nachricht vom Tod der ›Königin der Herzen‹ kam. Damals waren die letzten Bilder der lebenden Lady Di um die Welt gegangen, aufgenommen von einer Überwachungskamera im Eingangsbereich eines Hotels in Paris.
Wiebke stand mit beiden Beinen fest im Leben, allerdings hatte sie auch ein Faible für Romantik, das sie allzu gern auslebte, indem sie Hochglanzmagazine verschlang, die sich mit den Reichen und Schönen dieser Welt auseinandersetzten. Tiedje hatte sie immer deshalb aufgezogen, weil diese Eigenart so gar nicht zu der Wiebke passte, die er sonst kannte.
Sie schüttelte die Erinnerung an ihren Exfreund ab, als sie sah, wie Bente Harmsen und Klaus Georgs, oder wer auch immer er war, im Hotel eincheckten.
Lady Di und Dodi Al Fayette waren unter der Pont d’Alma gestorben, weil sie zu einem alkoholisierten Chauffeur ins Auto gestiegen waren, der dem anschließenden Wettrennen mit einer Horde Paparazzi nicht gewachsen war. Bente
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