Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
Ellen Verständnis gezeigt und Bente, die sie sehr schätzte, signalisiert, dass sie schon irgendwie über die Runden kommen würde. Doch in letzter Zeit waren einige unbezahlte Rechnungen bei ihr aufgelaufen, und es war höchste Zeit, drohende Mahnverfahren abzuwenden. Noch mehr Schwierigkeiten wären augenblicklich das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
Zwölf
Paul Hinrichsen wohnte nicht – er residierte. Der Immobilienmakler lebte in einem riesigen freistehenden Haus am Waldrand, das in der Mitte des Halebüller Weges lag. Nach Süden hin wurde das kleine Waldstück vom Ingwer-Paulsen-Weg eingegrenzt. Kleinere Häuser, die oft als Ferien- und Wochenendhäuser genutzt wurden, bestimmten das Bild des gepflegten Vorortes, auch das Erholungsgebiet Schobüller Wald lag nur einen Steinwurf entfernt.
Als Wiebke ausstieg, mischte sich die frische Seeluft mit dem Aroma des angrenzenden Waldes. Ein einzigartiger Duft. Wiebke erinnerte sich unwillkürlich an ihre Schulfreundin Merle, die ebenfalls hier in Schobüll gelebt hatte. Als einzige Tochter wohlhabender Eltern war sie stets gut gekleidet und teuer ausgerüstet zur Schule gekommen. Natürlich hatte das Mädchen seinerzeit viele Neider gehabt.
Schobüll gehörte erst seit 2007 offiziell zu Husum und wurde seitdem auch durch den dortigen Tourismusverband Husumer Bucht vertreten, der dafür sorgte, dass auch in diesem Ortsteil die Hotelbetten und Ferienhäuser zur Saison immer ausgebucht waren. Schobüll verfügte als einziger Ort weit und breit über einen freien Blick auf die Nordsee, denn Deiche suchte man hier vergeblich.
Paul Hinrichsen residierte in einem Neubau mit mindestens dreihundert Quadratmetern Grundfläche. Das Grundstück war von einem Rancherzaun umgeben; neben dem Eingang gab es eine Doppelgarage, vor der ein schwerer VW Phaeton parkte. Auf den Kennzeichen erkannte Wiebke neben dem NF die Initialen des Besitzers. Demnach war der Herr des Hauses anwesend. Sie war von einer inneren Unruhe ergriffen, die sie sich selber nicht erklären konnte, als sie auf den Hauseingang zumarschierten.
»Ganz schön gediegen lebt er«, murmelte Wiebke.
»Wat mut, dat mut«, antwortete Jan Petersen leise, fast so, also fürchte er, von versteckten Richtmikrofonen belauscht zu werden.
Wiebke ließ den Blick an der Backsteinfassade des Neubaus empor gleiten. Ausladende Gauben mit großen Glasflächen über dem Eingang ließen vermuten, dass auch das Innere des luxuriösen Hauses lichtdurchflutet war. Sie waren wie dafür geschaffen, das Lichterspiel am norddeutschen Himmel einzufangen und in das Haus zu transportieren. »Ein architektonisches Meisterwerk«, entfuhr es ihr.
»Schön, dass es Ihnen gefällt.« Paul Hinrichsen war lautlos auf der kleinen Empore am Eingang erschienen. Er lächelte seine Besucher nachsichtig an und erinnerte dabei an einen Vater, der seine Kinder dabei erwischt hatte, wie sie einen Streich ausheckten.
Wiebke schätzte ihn auf Ende fünfzig. Obwohl er bereits zu den fortgeschrittenen Semestern gehörte, wie sie es gern nannte, sah Hinrichsen noch verdammt gut aus: Er war hochgewachsen und schlank; seine blauen Augen funkelten unternehmungslustig und blickten den Besuchern wachsam entgegen. Seine dunklen Haare waren von einigen silbernen Strähnen durchzogen, die Haut war gebräunt und er trug bequeme, aber durchaus elegante Freizeitbekleidung.
»Was kann ich für Sie tun?«
Petersen zog seinen Dienstausweis aus der Jackentasche und stellte sich und Wiebke vor. »Wir ermitteln in einem Tötungsdelikt.«
»Fällt das nicht in den Zuständigkeitsbereich der Bezirkskriminalinspektion Flensburg?« Hinrichsen legte den Kopf schräg. Seine Augenbrauen zogen sich ein Stück weit enger zusammen. Misstrauen lag in seinem Blick.
»Allerdings. Die Kollegen haben Amtshilfe bei uns beantragt, deshalb haben wir ein paar Fragen an Sie, Herr Hinrichsen.« Wiebke wunderte sich darüber, wie gut Hinrichsen sich im Polizeiapparat auskannte, sagte aber nichts dazu.
»Wie dem auch sei. Dann folgen Sie mir freundlicherweise.« Hinrichsen gab den Hauseingang frei und führte seine Besucher durch einen lichtdurchfluteten Eingangsbereich. Durch die gläsernen Dachgauben tauchte die Nachmittagssonne sie in einen warmen und anheimelnden Lichtschein. Sie gelangten in ein Arbeitszimmer, das von einer großen Fensterfront beherrscht wurde, die den Blick ins Grüne freigab. Ein Swimmingpool glänzte in der Sonne, und am liebsten hätte sich
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