Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
– wie war sie als Chefin?«
»Immer fair, aber sie verlangte auch volle Leistung von uns. Und das war für die Ellen und mich eine Selbstverständlichkeit. Wir wussten ja, was zu Hause bei den Harmsens los ist.« Sie blickte Wiebke kurz an. »Los war«, verbesserte sie sich dann. »Viel zu lachen hatte Bente wohl nicht bei ihrem Ubbo.«
»Sie haben am betreffenden Abend das Möwennest abgeschlossen?«
»Ich war sozusagen die Letzte, ja. Nachdem ich alles geputzt und auf Vordermann gebracht hatte, habe ich wie immer abgeschlossen und bin nach Hause gefahren.«
»Es gab am Möwennest eine kleine Tür, seitlich. Sie führt vom Holmer Siel zum Außenbereich, dorthin, wo man den Toten fand. Wie meine Kollegen feststellen mussten, war die Tür nicht verschlossen.«
»Das mag sein. Bente lässt sie immer offen, als eine Art Notausgang.«
»Sie erwähnten eben, dass Bente Harmsen am Abend vorher mit Ihnen Scherze gemacht hat. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ellen Budde?«
»Die Ellen ist eine ganz Liebe.« Beate Wegener setzte ein sanftes, fast mütterliches Lächeln auf. »Sie ist zuverlässig, lässt uns nicht hängen.«
»Ich meine privat«, unterbrach Wiebke sie. »Wie ist sie so?«
Schulterzucken. »Allzu viel weiß ich gar nicht über sie. Unsere Gespräche sind nicht so tief, müssen Sie wissen. Wir machen unseren Job und sind Teil eines Teams. Soviel ich weiß, lebt die Ellen alleine in ihrer Wohnung. Und es gab etwas, über das sie nicht sprechen möchte.«
»Was könnte das sein?« Wiebkes Neugier war erwacht.
Wieder ein Schulterzucken. »Keine Ahnung. Sie ist sehr verletzlich, deshalb spreche ich sie auch nicht darauf an. Es muss etwas in ihrer Kindheit oder Jugend vorgefallen sein, wahrscheinlich hatte sie Schwierigkeiten mit den Eltern.«
»Hm. Hat sie einen Freund?« Wiebke versuchte sich an die Fotos in Ellen Buddes Wohnung zu erinnern. Ihr fiel auf, dass sie kein Foto von einem Mann entdeckt hatte. Nur das einer anderen Frau. Konnte Ellen Budde letzten Endes gar nichts mit Männern anfangen? War es ihre Homosexualität, über die sie nicht sprechen wollte? Wiebke zog diese Möglichkeit in Betracht und beschloss, Ellen Budde beim nächsten Besuch darauf anzusprechen.
»Einen Freund?« Wieder schüttelte Beate Wegener den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste.«
»Und Sie?«
Nun lachte sie. »Ich habe auch keinen Freund. Ich bin verheiratet, mit meinem Jens. Schon seit fast dreißig Jahren.« Beate Wegener streckte die rechte Hand vom Körper weg und betrachtete ihren goldenen Ehering, der glänzte, als hätte sie ihn eben erst neu bekommen. »Da weiß man, was man aneinander hat, sag ich Ihnen.«
Wiebke nickte. Das Thema war ihr unangenehm, da sie plötzlich wieder an die letzte Nacht mit Tiedje denken musste. Sie verdrängte die Erinnerung und erhob sich. »Danke, Sie haben mir sehr geholfen.« Wiebke zog eine zerknitterte Visitenkarte aus der Jackentasche und überreichte sie Beate Wegener. »Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen doch noch etwas einfällt.« Als sie an der Wohnungstür standen, wandte sie sich noch einmal um. »Wer hat eigentlich einen Schlüssel für die Flüssiggasanlage?«
»Soweit ich weiß, nur die Chefin. Und einer hängt im Schlüsselkasten, für Notfälle.«
»Danke.« Wiebke verabschiedete sich und ging nach unten. Sehr befriedigend war das Gespräch mit der Putzhilfe nicht verlaufen. Aber was hatte sie sich erhofft? Hatte sie ernsthaft mit bahnbrechenden Neuigkeiten gerechnet?
Enttäuscht machte sich Wiebke auf den Weg zur Poggenburgstraße.
Im Büro wurde sie von einem aufgeregten Jan Petersen empfangen. Er bedeutete ihr mit einer Geste, Platz zu nehmen. Wiebke sank auf den Bürostuhl und betrachtete ihren Kollegen. Auf dem Weg zum Arbeitsplatz hatte sie sich am Automaten einen Kaffee gezogen. Sie spürte erste Müdigkeitserscheinungen, doch sie wollte und konnte sich noch keine Schwäche gönnen.
»Das hier ist interessant.« Petersen hielt eine mehrseitige Liste in die Luft.
»Und was ist das?«
»Die Liste der Hotels, in denen Klaus Georgs auf seinen Geschäftsreisen abgestiegen ist.«
»Und was ist daran so interessant?« Wiebke pustete in den Becher und trank die schwarze Automatenbrühe in kleinen Schlucken. Prompt verbrannte sie sich die Lippen, unterdrückte einen Fluch und hielt den Plastikbecher zwischen Daumen und Zeigefinger.
Petersen umrundete seinen Schreibtisch und präsentierte ihr eine zweite Liste. »Diese Liste hier. Sie führt die Fälle von
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