Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
der ganzen Welt einklinken können. Sie sind so gut, dass die besten von ihnen von Microsoft angeworben wurden. Sie haben die Seiten gewechselt und sorgen jetzt dafür, dass die Betriebssysteme unserer PCs besser und vor allem sicherer werden. Sie tragen Anzüge und waren beim Frisör, aber Genies sind sie immer noch. Was denken Sie, wer das neueste Windows-Betriebssystem programmiert hat? Nicht der Konzern, der Bill Gates zum Multimillionär machte, sondern die Menschen, die es vor Jahren noch geschafft haben, die ersten Windows-Systeme zu knacken, und die Viren programmiert haben, die weltweit Computer außer Gefecht gesetzt haben. Das sind Profis. Ähnlich ist der Fall bei uns gelagert: Unser Behördenleiter konnte sich einfach nicht leisten, auf einen Spezialisten wie Robert Michels zu verzichten. In Deutschland hat sich im Laufe der Jahre ein ausgefeiltes Kontrollsystem entwickelt.« Kai Berger kehrte die Handflächen nach oben. »Aber mehr kann ich wirklich nicht dazu sagen.«
»Sie sind Spione. Und Michels, ein Serienvergewaltiger, stand auf Ihrer Lohnliste.« Langsam wurde Wiebke klar, welche Tragweite der Fall hatte. Der Bundesnachrichtendienst, eine Behörde, die dem Kanzleramt angehörte und eine sogenannte Bundesoberbehörde war, beschäftigte einen von der Polizei gesuchten Serienverbrecher, der sich an Frauen verging. Das allein war schon der Skandal schlechthin.
»So leicht ist das nicht.« Berger schüttelte den Kopf. »Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sieht uns bei der Arbeit schon sehr genau auf die Finger. Auch wir unterliegen dem Bundesdatenschutzgesetz.«
»Sie sind ein Geheimdienst.«
»Wir unterliegen auch den strengen juristischen Kontrollen, keine Angst, der Verein, wie ich ihn eben genannt habe, ist absolut in Ordnung. Sagt Ihnen der Begriff SIGINT etwas?«
»Nein, sollte er das?«
»Der Begriff steht für Signal Intelligence und umschreibt grob das, was wir tun: Mit unserer Technik stehen wir parat, um den internationalen Informationsaustausch zu überwachen. Somit wenden wir drohende Gefahren von Deutschland ab.«
»Sie kämpfen gegen den internationalen Terrorismus und beschäftigen polizeilich gesuchte Gewaltverbrecher?« Wiebke lachte auf. »Wie passt das zusammen?« Sie sah vor ihrem geistigen Augen die reißerischen Schlagzeilen in der Presse: Steuerzahler zahlen das Gehalt für einen brutalen Vergewaltiger! Skandal: Höchste Bundesbehörde beschäftigt Sexualverbrecher! Das war der Stoff, mit dem Magazine wie Stern , Focus und Die Welt an die Öffentlichkeit gingen.
»Das heißt, dass Michels ein Geheimagent war?«, fragte sie dann zögernd. Wiebkes Wangen hatten eine tiefrote Färbung angenommen. Plötzlich wusste sie, warum man ihnen den Fall abgenommen hatte. Wiebke konnte sich gut vorstellen, dass BND und das Bundeskriminalamt dafür sorgten, dass nichts an die Öffentlichkeit durchsickerte. Sie hatte einen unglaublichen Verdacht. »Er war also unter dem Namen Klaus Georgs gemeldet. Seine Papiere, sein Auto, sogar seine Wohnung war unter diesem Tarnnamen gemietet.«
»Das Haus am Jebensweg gehört der Behörde.«
»Und Paul Hinrichsen? Ihm gehört doch das Haus, wir waren bei Hinrichsen in Schobüll, um ihm ein paar Fragen zu stellen.«
»Er ist einer von uns. Mein Vorgesetzter, um genau zu sein. Er würde mich töten, wenn er wüsste, dass wir hier zusammensitzen und uns über den BND unterhalten.«
»Er würde Sie … töten?« Plötzlich zweifelte Wiebke am System. Bislang hatte sie immer an die Gerechtigkeit geglaubt. Sie diente dem Staat und es war ihr Beruf, Verbrechen aufzudecken. Dass das alles nur eine Fassade war, um die Bürger in Sicherheit zu wiegen, mochte sie einfach nicht glauben. Wozu hatte sie drei Jahre die Polizeischule in Kiel besucht, wenn doch alles, was man ihr dort vermittelt hatte, nur Lug und Trug war?
»Nicht umbringen, er würde mich strafversetzen, keine Ahnung, welche Sanktionen mir drohen würden, wenn er von unserem Treffen Wind bekäme.« Berger zuckte die Schultern. Der Kellner brachte die Getränke, ersetzte die inzwischen erloschene Kerze auf dem Tisch und verschwand dann wieder in Richtung Bar.
»Vielleicht würde ich auch einfach nur unehrenhaft entlassen werden«, nahm Berger den Faden wieder auf.
»Was ist mit Ihrer Behörde in Husum?«
»Viele von uns sitzen jetzt in der neuen Dienststelle in Berlin, wenige noch im bayerischen Pullach. Die, die noch in Husum ihren Dienst verrichten,
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