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Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi

Titel: Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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Meer hinaus und glaubte sogar, im Mondlicht die Hallingen erkennen zu können. Die Pistole lag in meiner Hand, ich habe sie angestarrt wie ein Ungeheuer. Dann nahm ich meinen Mut zusammen und hielt mir den Lauf in den Mund. Aber ich habe so sehr gezittert, habe es einfach nicht geschafft, abzudrücken.«
    »Und deshalb sitzen Sie nun hier.«
    »Ja.« Sie nahm einen letzten Zug von ihrer Zigarette und warf den Rest ebenfalls in den Becher. »Was kann ich tun?«
    Petersen erhob sich. »Ich werde dafür sorgen, dass Sie morgen mit Ihrem Anwalt telefonieren können.« Dann war er draußen.
                                                       
    Sie hatte sich bei Rialto im Einkaufszentrum von Mildstedt eine große Pizza Gorgonzola bestellt, um den Mindestbestellwert für eine kostenlose Lieferung nach Ostenfeld zu erreichen. Was sie nicht schaffte, würde sie auch morgen noch kalt essen können. Eine Flasche Rotwein war noch im Kühlschrank, und so nahm sich Wiebke vor, das Haus heute nicht mehr zu verlassen.
    Es fiel ihr schwer, abzuschalten. Sie zappte sich, während sie aß, mit der Fernbedienung durch die Fernsehprogramme. Doch es lief nichts, was sie ablenken konnte. Immer wieder kreisten Wiebkes Gedanken um den Fall und um das Gespräch mit Ilka Benning. Vergewaltigung gehörte für Wiebke in die gleiche Verbrechenskategorie wie Mord. Neben der körperlichen Gewalt erfuhren die Opfer von Sexualstraftaten schlimmste Demütigungen und trugen psychische Schäden davon, die sie oft ein Leben lang begleiteten. Täter von Sexualstraftaten zerstörten etwas, das sich nie wieder reparieren ließ.
    Wiebke war satt. Die halbe Pizza hatte sie geschafft, und nun legte sie das Besteck fort und spülte mit einem Schluck Rioja nach. Sie brachte die Pizzaschachtel in die Küche. Hier fiel ihr Blick auf den Aktenordner, der auf dem Küchentisch lag. Sie zögerte. Nein, dachte sie dann, ich habe Feierabend, und Dierks hat uns den Fall abgenommen.
    Sie ging ins Badezimmer, um sich eine Wanne Wasser einlaufen zu lassen. Wiebke wählte einen nach Jasmin duftenden Badezusatz und zündete Teelichter an, die einen gemütlichen Schein auf die Fliesen an der Wand zauberten. Während das Bad einlief, ging sie ins Schlafzimmer, um sich zu entkleiden. Sie nahm ihren kuscheligen Hausanzug und ein großes Badelaken aus dem Schrank und legte beides im Bad auf der Waschmaschine ab. Etwas fehlte noch: ein Glas Wein. Sie ging ins Wohnzimmer, nahm ihr Glas, leerte es und füllte es in der Küche neu auf.
    Hier fiel ihr Blick wieder auf den Aktenordner mit den Fallunterlagen. Wiebke konnte nicht anders. Sie klemmte sich die Mappe unter den Arm, nahm das Weinglas und ging ins Bad. Auf dem Weg dorthin nahm sie das Mobilteil des Telefons aus der Station und legte es ebenfalls in Reichweite. Dann stieg sie ins Wasser. Ihre Haut prickelte, dann sank sie ganz in die Wanne. Der Schaum umschmeichelte sie, und langsam kam Wiebke ein wenig zur Ruhe. Vielleicht hätte sie erst nach dem Bad essen sollen, dachte sie, während sie zu ihrem Glas griff und das samtige Aroma des spanischen Rotweines genoss. Dann stellte sie das Glas auf dem Wannenrand ab und schloss minutenlang die Augen. Sie spürte, wie die Anspannung der letzten Stunden von ihr abfiel. Auch wenn ihre Gedanken nach wie vor um den Fall kreisten, so gelang es ihr in diesem Moment, die Dinge ein wenig distanzierter zu betrachten.
    Wiebke öffnete die Augen und setzte sich in der Wanne hin. Sie wischte sich die Finger am Handtuch trocken und angelte nach dem Ordner mit den Aufzeichnungen. Klaus Georgs hatte achtunddreißig Frauen vergewaltigt. Meist hatte er sie mit dem Auto angefahren und in den Wagen gezerrt, um sie an einen abgelegenen Ort zu schaffen, an dem er nicht gestört wurde, meist eine leer stehende Fabrik, eine Scheune oder ein baufälliges Haus. Hier konnten seine Opfer sich wehren, soviel sie wollten – niemand war in der Nähe, der ihnen hätte helfen können. Selbst wenn es einer der Frauen gelungen wäre, den Knebel zu lösen, niemand hätte ihre Schreie gehört. Er verging sich an ihnen und setzte sie auf einer einsamen Landstraße wieder aus. In einigen Fällen, wie auch bei Ilka Benning, ließ er sie einfach achtlos zurück.
    Da er sich seine Opfer nicht nur in einem festen Wirkungskreis gesucht hatte, war es schwer gewesen, ihn zu identifizieren. Wiebke vergaß, dass sie in der Wanne saß, und versank in der Vergangenheit. Welche

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