Tod mit Meerblick: Schleswig-Holstein-Krimi
sind sozusagen der harte Kern.«
»Zu dem auch Michels gehörte.«
»Hinrichsen erkannte sein Talent schon früh. Michels hatte eine gestörte Psyche, daran besteht kein Zweifel. Dennoch war es Hinrichsens erklärtes Ziel, Michels in den Dienst zu stellen, um von seiner Fachkompetenz zu profitieren. So einfach ist das. Er wurde in eine Art Zeugenschutzprogramm aufgenommen, wenn man so will. Michels erhielt durch uns eine neue Identität und hieß fortan Klaus Georgs. Er lebte so anonym wie möglich im Haus am Jebensweg.«
»Warum erzählen Sie mir das alles? Sie bringen sich selber in Gefahr«, stellte Wiebke fest.
»Weil ich auch nur ein Mensch bin.« Er zupfte ein imaginäres Staubkörnchen von der Tischdecke und trank von seiner Cola light, während er sie über den Rand des Glases hinweg ansah. »Ich kam vor zehn Jahren in den Norden, hatte es am Anfang ziemlich schwer. Aber ich lebte für den Beruf, und nachdem man mich in Pullach ausgebildet hatte, wurde ich an den Standort Husum versetzt. Husum, das klang für mich schrecklich. Weit weg von daheim, und ich hatte das Gefühl, in einer anderen Welt zu leben. Ich als Bayer.« Nun lachte er. »Aber der Menschenschlag hier oben gefällt mir, ich mag die Ehrlichkeit und den trockenen, nordfriesischen Humor. Alles wurde noch besser, als ich eine Frau kennenlernte. Sie lebte anfangs noch auf Pellworm, wo ihre Eltern eine kleine Pension betrieben. Wir verliebten uns und wurden ein Paar. Angelika verließ Pellworm, und wir suchten uns eine kleine Wohnung in Husum, am Rande der Neustadt. Wir waren glücklich und wollten heiraten. Dann kam dieser Abend im November. Sie war mit ihren Freundinnen unterwegs und kam erst spät nach Hause. Das hatte sie zumindest vor. Die Nacht war nebelig, und ich muss Ihnen nicht sagen, dass im Winter nichts mehr los ist, sobald es in Husum dunkel wird. Angelika war allein unterwegs. Und er schnappte sie sich, hat sie mit dem Auto angefahren, sie verschleppt und hat sie … er hat sie sich einfach genommen, hat ihre Seele gebrochen.«
Als Wiebke ihn anblickte, glaubte sie zu sehen, dass seine blauen Augen feucht schimmerten. »Robert Michels hat Ihre Freundin vergewaltigt?«
»Ja. Und am liebsten hätte ich ihn umgebracht. Unsere Beziehung war zwei Monate später zu Ende. Sie kam einfach nicht damit klar, dass ein Mann wie ich in ihrer unmittelbaren Nähe lebte. Sie empfand erst Angst, später nichts als blinden Hass auf alle Männer. Was soll ich sagen? Mein Kollege hat sie vergewaltigt und erniedrigt. Und nun stehe ich alleine da. Angelika lebt allein und wie in einer Scheinwelt seit dieser Nacht.«
»Hatten Sie nie das Bedürfnis, sich zu rächen?«, fragte Wiebke und überlegte, ob sie dem Mörder von Michels gegenübersaß.
»Oh doch, und ob.« Kai Berger nickte und stierte in sein Glas, das er zwischen den Fingerspitzen drehte. »Ich hatte tatsächlich Mordgedanken. Aber irgendwann wuchs Gras über die Sache. Hinrichsen hat dafür gesorgt, dass wir uns im Dienst nicht mehr begegneten. Aber es kam anders, und es war ein Fehler für ihn, mich auf genau diesen Fall anzusetzen, um einen Skandal zu verhindern. Unvorstellbar, wenn das, was wir hier bereden, an die Öffentlichkeit käme! Deshalb habe ich Sie beschattet, deshalb hat man Ihrer Dienststelle den Fall abgenommen, und, ja, deshalb sitzen wir hier nun zusammen.«
Es fiel Wiebke wie Schuppen von den Augen. Ihr Herz begann zu rasen – alles passte zusammen: Vor ihr saß der Mann, der Robert Michels alias Klaus Georgs auf dem Gewissen hatte. Er hatte ein Motiv – Rache. Paul Hinrichsen, der offenbar beim BND ein hohes Tier war, hatte ihn auf Robert Michels angesetzt, und damit hatte er in der Tat einen Fehler gemacht, denn die Gelegenheit war günstig. Berger hatte Michels aufgelauert und ihn schließlich mit seiner eigenen Dienstwaffe niedergestreckt. Das erklärte auch, weshalb die Waffe, die man in Klaus Georgs Hand gefunden hatte, nirgendwo vermisst wurde, obwohl es sich um eine Dienstwaffe aus Behördenbestand handelte. Der BND hatte es verstanden, den Verlust der Waffe nicht an die große Glocke zu hängen – zumal es ja kein Verlust im üblichen Sinne war, da der Besitzer verstorben war.
»Sie sind sein Mörder«, murmelte Wiebke. »Ich kann unser Gespräch als Geständnis verwenden.«
»Oh nein, das können Sie nicht«, schmunzelte Berger. »Ich kenne die Gesetze, und so leicht mache ich es Ihnen nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich Robert Michels
Weitere Kostenlose Bücher