Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)
nicht nur in Südtirol, auch in Deutschland und in Österreich – und dort vor allem bei Frauen, die auf alterslose Schönheit Wert legten. Marco grinste. Diesem noblen Herrn würde er in die Eier treten. Mit ihm würde er anfangen.
Er klopfte mit dem Zeigefinger auf einen kleinen Stapel in der Mitte. Das da war pures Dynamit! Er kannte die Geschichte, sein Freund hatte sich damals mit ihm beraten. Der Fall war gut dokumentiert, geradezu vorbildlich. Da hatte jemand richtig Mist gebaut, sich einen tödlichen Fehler erlaubt. Marco musste nur noch überlegen, welche Summe er für sein Schweigen verlangen konnte.
Okay, wenn das alles klappte, dann war es fast egal, wo das verschwundene Geld abgeblieben war. Dann hätte er seine Schäfchen im Trockenen, so oder so.
Er grinste. Was hatte er doch gleich dieser flachbrüstigen puttana von Gefängnispsychologin versprochen? Dass er wieder in seinem alten Beruf arbeiten würde, das hatte er versprochen. Er hatte nicht gelogen – genau das würde er tun. Wie hatte sie nur glauben können, dass er damit seine Arbeit im Weinkeller gemeint hatte?
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8
Kommissariat, Polizeidirektion, Carabinieri, Bergrettung … Emilio verbrachte den Vormittag mit einer Vielzahl von Telefonaten. Einige Kontaktstellen entnahm er Theresas Mappe, zu anderen wurde er weiterverbunden. Er musste zugeben, dass er die polizeilichen und alpinen Zuständigkeiten in der autonomen Region Südtirol zwischen Mals, Meran und Bozen nicht wirklich durchschaute. Aber das machte nichts, er hatte es längst aufgegeben, im Leben alles verstehen zu wollen. Immerhin waren seine Gesprächspartner durchweg freundlich, was zu dieser Tageszeit für Emilio schwer verständlich war. Sie konnten ihm dennoch kaum weiterhelfen. Ein Bergunfall in den Ötztaler Alpen, der zehn Jahre zurücklag, war im Gedächtnis der Menschen ebenso wenig präsent wie in den aktuell geführten Aktenschränken. Er hatte nichts anderes erwartet. In den Computern fand man den Tod von Nikolaus Steirowitz zwar bestätigt, auch dass sein Leichnam von einer Gruppe Bergwanderern gefunden wurde, aber das war es dann schon.
Emilio stand im Bademantel auf dem Balkon, barfuß und unrasiert. Er hatte Phina hinterhergeschaut, als sie mit dem Traktor in die Weinberge gefahren war. Weiter hinten konnte man die Cantina sehen, die ihr gehörte. Er lächelte, als er daran dachte, dass es ihn ausgerechnet in das Haus einer Winzerin verschlagen hatte. Daran hatte er nichts auszusetzen, nein, wirklich nicht. Nur schade, dass sie so spröde war.
Emilio spielte mit dem Gedanken, seine Telefonrecherchen abzubrechen, um stattdessen im Liegestuhl auf dem Balkon ein Nickerchen zu halten, da bekam er plötzlich in einem Bozner Kommissariat eine Sachbearbeiterin an die Strippe, die dieses Vorhaben zunichtemachte. Über Nikolaus Steirowitz habe sie nach seinem Tod einige Artikel in Zeitungen gelesen, berichtete sie. Das sei ein gut aussehender Mann gewesen, an sein Foto könne sie sich noch erinnern, in diesem Punkt habe sie ein ausgesprochenes Langzeitgedächtnis. Weil ihr Chef gerade auf einer Fortbildungsveranstaltung sei, könne sie gerne im Computer und im Archiv nachforschen. Ob er später in der Quästur vorbeischauen wolle? Emilio notierte sich die Adresse in der Via Dante, Ecke Via Marconi und versprach, in zwei Stunden zu kommen. Der Dame schien es wirklich langweilig zu sein.
Kaum hatte er aufgelegt, klingelte sein Handy. Auch bei der Bergrettung in Meran hatte man etwas gefunden und sich die Mühe gemacht, ihn auf der hinterlassenen Nummer zurückzurufen. Die Südtiroler wurden ihm in ihrer Hilfsbereitschaft langsam unheimlich. Man gab ihm den Namen und die Adresse des Bergführers, der den toten Niki damals gefunden hatte. Er bedankte sich und nahm sich vor, diesen Steff bei Gelegenheit zu kontaktieren – auch wenn er nicht wusste, was das bringen sollte.
***
Es war kurz nach Mittag, als Emilio die Quästur in Bozen verließ. Er klemmte seinen Gehstock unter den Arm und setzte sich die Sonnenbrille mit dem dicken Hornrahmen und den grünen Gläsern auf. Die Mitarbeiterin mit dem Langzeitgedächtnis für gut aussehende Männer hatte sich als ebenso dick wie sympathisch erwiesen. Zwar hatte auch sie nichts wirklich Neues in Erfahrung gebracht, aber sie hatte ihm einen guten Cappuccino mit Maronenplätzchen angeboten. Und sie hatte ihm die Information gegeben, dass vor zehn Jahren ein gewisser Luis Gamper für den Fall zuständig
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