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Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition)

Titel: Tod oder Reben: Ein Wein-Krimi aus Südtirol (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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gewesen sei. Der Tod des Nikolaus Steirowitz sei aber rasch zu den Akten gelegt worden, es habe keinen Anhaltspunkt für ein Fremdverschulden gegeben. Mit dem Kriminalrat könne er reden, ein netter Mann, leider im Ruhestand. Der Luis erzähle gerne von seinen früheren Fällen, auch wenn das kein wirklicher Fall gewesen sei, eben nur ein tragisches Unglück, aber eine Untersuchung habe es, wie gesagt, damals schon gegeben, das sei die übliche Routine. Sie hatte ihm einen Zettel gegeben mit Telefonnummer und Adresse des Pensionärs, der auf dem Ritten wohnte. Emilio hatte der Sachbearbeiterin versprochen, sich wieder zu melden – was er nicht wirklich vorhatte. Dummerweise pflegte er, Versprechen zu halten.
    Nach Emilios zufriedener Einschätzung hatte er einen ausgesprochen arbeitsreichen Vormittag hinter sich gebracht. Weil das überhaupt nicht seinem natürlichen Biorhythmus entsprach, brauchte er jetzt dringend eine Phase des Müßiggangs. Außerdem verspürte er Appetit und hatte Lust auf ein Gläschen Wein. Er wendete sich nach rechts und schlenderte vorbei an der Kapuzinerkirche zum Waltherplatz. Er hatte gelesen, dass dieser nach Walther von der Vogelweide benannt war. Dessen Statue aus weißem Marmor konnte sein Interesse nicht wecken, schon eher die Taube, die dem Minnesänger gerade auf den Kopf kackte. Besser gefielen ihm die vielen Cafés, die den weiten Platz säumten. Das Walther’s war ihm ein Begriff. Er lief planlos durch einige Gassen, leicht hinkend, aber dank seines Gehstocks dennoch mit einer gewissen Eleganz. Er hörte, wie ein Reiseführer etwas über Barock- und Rokokofassaden erzählte, was die Gruppe aber nur mäßig zu interessieren schien. In der Bindergasse kam Emilio an einigen historischen Gasthäusern vorbei. Vor einer Franziskanerkirche blieb er stehen und überlegte, ob Niki wohl ein gläubiger Mensch gewesen war. Schließlich verurteilte die Kirche Suizid als Sünde. Früher wurden die Leichen von Selbstmördern in ungeweihter Erde beerdigt. Wo war eigentlich das Grab von Niki? Er sollte es mal besuchen, das gehörte sich so.
    Auf dem Obstmarkt erfreute er sich am Anblick von Trauben, Feigen, Auberginen, Melonen … Im Vorbeigehen nahm er einen Apfel, er vergaß zu bezahlen, seine «Straftat» blieb unentdeckt. Der Apfel schmeckte herzhaft sauer. Emilio schlenderte durch die schattigen Arkadengänge der Laubengasse, nahm kritisch zur Kenntnis, dass sich leider auch hier internationale Läden und Imbissketten einquartiert hatten. Aber dazwischen gab es immer noch reizvolle Adressen wie den Feinkosthändler Seibstock, wo er etwas Parmaschinken probierte, sich dann für die gut sortierte Weinabteilung im ersten Stock interessierte. Ihm fiel ein, dass Niki irgendwo in der Bozner Altstadt eine Vinothek gehabt hatte. Die Adresse hatte er nicht im Kopf. Er nahm sich vor, in den nächsten Tagen nach ihr zu suchen, wenn es sie überhaupt noch gab.
    Wenig später fand Emilio den Weg in die Dr.-Streiter-Gasse und dort die ehemaligen Fischbänke und die Sonnenschirme, die auf die «wine & cheese bar» von Cobo hindeuteten. Er war am Ziel seiner Exkursion angelangt. Rino Zullo, ein Bozner Original, den alle Welt nur als Cobo kannte, betrieb hier mit viel Kreativität ein ganz besonderes Lokal – nämlich eines ohne Gasträume, unter freiem Himmel. Emilio ließ sich Bruschetta servieren, dazu einen erfrischenden Pinot bianco. Hier war alles improvisiert, und gerade deshalb schien die Welt in Ordnung. Das Improvisieren war auch für Emilio eine Art Lebensmaxime. Er vertraute auf die schöpferische Kraft des geordneten Chaos und des spontanen Einfalls. Was seinen aktuellen Auftrag betraf, hatte er allerdings noch keine zündenden Ideen. Was vielleicht auch daran lag, dass er seine Gedanken nicht wirklich darauf konzentrierte. Aber er hatte kein schlechtes Gewissen, nein, überhaupt nicht, schließlich war er bereits aktiv geworden, hatte eifrig telefoniert, hatte einen Bergführer und einen Kriminalrat im Ruhestand in Erfahrung gebracht. Als Nächstes würde er einige alte Freunde von Niki kontaktieren, die in Theresas Infomappe aufgelistet waren, darunter ein Schönheitschirurg. Und er wollte sich mit Nikis beruflichem Umfeld vertraut machen, mit seinen Hobbys und Leidenschaften. Dabei würde er sich nicht überanstrengen, aber irgendwas musste er ja tun, um das bereits kassierte Honorar zu rechtfertigen.
    Emilio nahm einen Schluck vom Weißburgunder und las amüsiert einige der skurrilen

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